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Repertorium für Kunstwissenschaft — 8.1885

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Dobbert, Eduard: Zur Geschichte der Elfenbeinsculptur
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https://doi.org/10.11588/diglit.66022#0175

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Zur Geschichte der Elfenbeinsculptur.

163

Friedrich’s Untersuchung zerfällt in zwei Theile. In dem ersten gibt
er einen Ueberblick über altchristliche und frühmittelalterliche Elfenbeinwerke,
um zu beweisen, dass in dieser Technik bis zum 12. Jahrhundert wieder-
holt antike Werke nachgeahmt worden seien. Der zweite Theil handelt von
den Elfenbeinreliefs an der Aachener Kanzel, in denen diese Anlehnung an
antike Kunstwerke besonders deutlich zu Tage trete.
I.
Zur byzantinischen Frage.
Im Anfänge seiner Abhandlung sucht der Verfasser sich mit der byzan-
tinischen Frage aus einander zu setzen, verfährt aber dabei, wie mir scheint,
nicht vorsichtig genug. Die Behauptung (S. 5), dass »der byzantinische Ein-
fluss, was die Plastik anbelangt, im Abendlande besonders im 5. Jahrhundert
von kaum nennenswerther Bedeutung« gewesen, ist unerwiesen geblieben.
Es ist doch wohl sehr wahrscheinlich, dass an den Kunstbestrebungen
der neuen Hauptstadt Ravenna schon zur Zeit der Galla Placidia neben der
römischen Kunst auch die seit Constantin dem Grossen in Byzanz emporge-
kommene ihren Antheil, ja vielleicht den Hauptantheil hatte, stand doch Ravenna
in lebhaften Beziehungen zu Gonstantinopel. Die von Labarte ’) ausgesprochene
Meinung, dass in Ravenna bereits in der Zeit der Galla Placidia Künstler aus
Gonstantinopel thätig waren, gewinnt an Wahrscheinlichkeit seitdem man
weiss, dass dieses in demselben Jahrhundert in Süditalien der Fall war, hat
doch E. Müntz* 2) eine Stelle aus den Acta sanctorum (VII. Febr. p. 58) bei-
gebracht, wonach der Bischof von Siponto, ein Verwandter des Kaisers Zeno
(474—491), sich Künstler aus Gonstantinopel kommen liess.
Vergleicht man die feierlich einherschreitenden, ihre Kronen in gewand-
bedeckten Händen tragenden Apostel des um 425—430 entstandenen Mosaik-
bildes in der Kuppel von S. Giovanni in Fonte zu Ravenna mit den doch wohl
aus der Zeit des Papstes Sixtus III (432—440) stammenden mehrfach an die
Reliefs der Trajanssäule erinnernden Mosaiken an den Langwänden des Mittel-
schiffes in S. Maria Maggiore zu Rom, so hat man den Eindruck, dass dort
in Ravenna ein neues Element in die christliche Kunst getreten, welches man
füglich als das ceremoniöse bezeichnen kann, und das doch wohl vom byzan-
tinischen Kaiserhofe aus in die Kirche und die kirchliche Kunst gedrungen
war.3) Auch der darunter folgende Mosaikstreifen mit der Darstellung von
’) Histoire des arts industriels, t. IV, p. 177. — Vgl. Gh. Bayet, Recherches
pour servir ä l’histoire de la peinture et de la sculpture chretiennes en Orient, Paris
1879, p. 80, 81, wo die Ansicht, dass vom Anfänge des 5. Jahrhunderts an in Ra-
venna wesentlich byzantinische Kunst herrschte, lebhaft vertreten wird.
2) Etudes sur l’histoire de la peinture et de l’iconographie chretienne. Paris
1882, p. 41.
3) Die die Jungfrau Maria verherrlichenden Mosaiken des Triumphbogens in
S. Maria Maggiore zeigen einen feierlicheren Charakter als die alttestamentlichen
an den Langwänden des Mittelschiffes. Während in den letzteren die Engel unge-
flügelt erscheinen, haben sie am Triumphbogen meist grosse Flügel. Garrucci, Storia
della arte cristiana IV. 17, vermuthet, dass die Mosaiken an den Längswänden
 
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