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Repertorium für Kunstwissenschaft — 8.1885

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Woermann, Karl: Michelangelo's Leda nach alten Stichen
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https://doi.org/10.11588/diglit.66022#0460

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410 Karl Woermann: Michelangelo’s Leda nach allen Stichen.
Uebereinstimmung ihrer Hauptcomposition mit den Gemälden in London
und Dresden beweisen, dass sie auf das Gemälde Michelangelo’s
zurückgehen, so werden wir der übereinstimmenden Aussage von drei
Schriftquellen und drei Kunstdenkmälern gegenüber unsere Behauptung,
dass Michelangelo’s Darstellung der Leda in der That das Ei und die
Dioskuren gezeigt habe, für voll bewiesen ansehen dürfen.
Dass die drei Schriftsteller sich nicht genau übereinstimmend und
überhaupt etwas ungenau ausdrücken, thut dabei nichts mehr zur Sache.
Die Stiche beweisen ja, wie ihre Aussage gemeint ist.
Folgt hieraus nun aber, dass das Londoner Gemälde, weil das Ei
und die Dioskuren ihm fehlen, nicht das Original Michelangelo’s sein
oder sagen wir gewesen sein könne? Es ist nicht meine Absicht, diese
Behauptung aufzustellen. Mariette könnte ja doch recht gehabt, der
Verbrennungsbefehl könnte ja wirklich nicht ausgeführt worden sein,
das restaurirte Exemplar könnte ja wirklich nach England geschickt
worden sein. Wenn das Bild zu Mariette’s Zeiten schon so ruinirt war,
dass an unzähligen Stellen nur noch die blosse Leinwand sichtbar war,
so kann schon die alte Restauration das Ei und die Dioskuren vollends
beseitigt haben; und keine spätere Rückrestauration wird sie haben
zurückbringen können. Haben wir doch in unserer Dresdener Galerie
das Beispiel der schönen Venus, die wir mit Morelli dem Giorgione
zurückgeben, vor Augen. Die alte Schriftquelle bezeugt, dass ein Amor
zu ihren Füssen gesessen. Es ist jetzt nichts mehr von ihm zu sehen.
Zum Glück aber steht es actenmässig fest, dass er wegrestaurirt worden,
weil doch schon nicht viel mehr von ihm übrig gewesen sei.
Ob das Londoner Bild als das Original anerkannt werden kann,
wird sich nur stilkritisch vor dem Gemälde selbst entscheiden lassen.
Ich werde mit meiner Ansicht darüber zurückhalten, bis ich London
einmal wieder besucht haben werde. Es war mir heute nur darum zu
thun, die beschriebenen drei Stiche in die Michelangelo-Litteratur ein-
zuführen und aus ihnen in Verbindung mit den Schriftquellen den
Nachweis zu führen, wie Michelangelo’s Gemälde in seiner ursprüng-
lichen Gestalt ausgesehen haben muss.
 
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