II. DAS LEHRBUCH DER MALEREI
ANMERKUNGEN
1 begeren.
2 alles dasjenige, was ich.
3 Kunst bedeutet bei Dürer nicht ausschließlich die ge-
staltende Tätigkeit des schöpferischen Menschengeistes,
sondern heißt noch häufig im mhd. Sinn das Wissen, aie
Kenntnis. Vgl. Grimm Wb 5 (1873), Sp. 2668 ff. Nur
aus dem Zusammenhang vermag man festzustellen, in
welcher Bedeutung Dürer jeweils das Wort gebraucht.
4 sagt.
5 Besdiaffenheit seiner Komplexion. Brack, Vocabula-
rius rerum (1491), erklärt Complexio als „art oder
eygene natur uß der fier element eygenschafft“. Vgl. L.
Diefenbach, Glossarium Latino-Germanicum (Frankfurt
1857), S. 137.
6 Die eingehende Aufgliederung dieses ersten Teiles ist in
Nr. 2 erhalten. Weitere Ausarbeitungen sind nicht über-
liefert.
T Durchführung, Ausfiihrung. Vgl. Grimm Wb XII
(1886), Sp. 366.
8 Eine etwas willkürliche Substantivbildung der frnhd.
[Fol. 5a]
1. Der erst teil der fored seit.
Zum ersten, daz man des jungen gepurt acht soll
haben, jn was zeichen1, mit ettlichen erclerungen2.
Pit got vm ein glückhaftige stund.
5 Zum anderen, daz man seiner geschtalt vnd glidmos
ach nem3, mit etlicher ferclerung4.
Zum tritten, wie man jn zw der lernung anfencklich
vnder weisen söll, mit etlicher verklerung5.
Zum firden, daz man acht hab, ob mit güten lob
o oder scheltung der knab am pesten zw leren sey. Mit
verklerung.
Zum 5., daz der knab jn lust zw lernen behalten
werd vnd jn nit vrtützig6 mach.
Daz sext, ob sich der jung zw fill vbte, do fan jm dy
5 Melecoley vber hant mocht nemen, daz er durch
kurtzwelich seiten spill zw leren do von gezogen
werd zw ergetzlikeit seins geplütz7.
2. Der ander teill der fored seit.
Zum ersten, daz der knab getzogen werd. awfif die
o gotz förcht, von got zw begeren die gnod der sub-
tilitet8 vnd got eren.
3. haben] danach gestrichen der gepurt halb. 9. Zum] kor-
rigiert aus zun.
Kanzleisprache zum Adj. frei, offenbar in einer Bedeu-
tungsdifferenzierung der älteren Bildung Freiheit gegen-
über. Freyikeitt bedeutet etwa Freizügigkeit, selbstver-
ständlich im Rahmen des damaligen Kunstbereiches. Die
Wortbildung vermochte ich in keinem Wörterbuch nach-
zuweisen. An frnhd. freidikeit, Keckheit, ist kaum zu
denken.
9 Vgl. dazu die Inhaltsangabe Nr. 2, 1, wo eine Auf-
gliederung dieser Untergebiete gegeben ist.
10 „sich“ ist offenbar Konjunktiv Praesentis, vokalisch
an den Indikativ angeglichen.
11 Das überlieferte „schilt“ ist nicht Schreibfehler, wie
Lange-Fuhse annahmen, sondern gehört zu schielen,
schillen, schilchen swv., in schiefer Richtung blicken, von
der Seite anblicken, beobachten, refl. mit Blicken für sich
etwas auswählen, für sich entnehmen, sich aneignen. Der
Satz ist zu übersetzen: Der dritte Teil handelt von all
dem, was man sehen könne, er sondert für sich ein Teil
ab, um es nachzubilden, in sechserlei Weise.
12 vollbringen kann.
Daz ander, das er messig gehalten werd mit essen
vnd trinchken, des geleichen mit schloffen9.
Zum triten, daz er ein lüstige10 wonunng hab, do er
durch keinerley hindernus gejrd11 werd. 25
Zum virten, daz er behut werd for frewlichem ge-
schlecht, nit pey jm wonen los, das er keine plos sech
oder an greiff, vnd sich vor aller vnlawterkeit be-
hut. Kein ding schwecht die vernunft mer den
vnlawterheit12. jo
Zum fünften, daz er wol lessen vnd schreiben kün
vnd mit dem Latein awff ertzogen werd, zw versten
ettlich geschrift.
Zum sexten, daz ein sollicher das fermügen hab, mit
verlegung sollichem aws zw warten13 vnd sein war- 35
genumen werd mit ertzey14, so ers betraff15.
[5b] 3. Daz tritteill der fored seit.
Zum ersten, es ist ein nutze kunst, wan sie jst gott-
lich vnd wurt geprawcht zw guter hellger16 ver-
manvng17. 40
Zum anderen ist sy nütz. Vill vbells18 gwürd dor-
durch ver miten, so man in künsten vm gett, dy
sunst gschehen, so man feirt.
38. sie] Hs. so.
92
ANMERKUNGEN
1 begeren.
2 alles dasjenige, was ich.
3 Kunst bedeutet bei Dürer nicht ausschließlich die ge-
staltende Tätigkeit des schöpferischen Menschengeistes,
sondern heißt noch häufig im mhd. Sinn das Wissen, aie
Kenntnis. Vgl. Grimm Wb 5 (1873), Sp. 2668 ff. Nur
aus dem Zusammenhang vermag man festzustellen, in
welcher Bedeutung Dürer jeweils das Wort gebraucht.
4 sagt.
5 Besdiaffenheit seiner Komplexion. Brack, Vocabula-
rius rerum (1491), erklärt Complexio als „art oder
eygene natur uß der fier element eygenschafft“. Vgl. L.
Diefenbach, Glossarium Latino-Germanicum (Frankfurt
1857), S. 137.
6 Die eingehende Aufgliederung dieses ersten Teiles ist in
Nr. 2 erhalten. Weitere Ausarbeitungen sind nicht über-
liefert.
T Durchführung, Ausfiihrung. Vgl. Grimm Wb XII
(1886), Sp. 366.
8 Eine etwas willkürliche Substantivbildung der frnhd.
[Fol. 5a]
1. Der erst teil der fored seit.
Zum ersten, daz man des jungen gepurt acht soll
haben, jn was zeichen1, mit ettlichen erclerungen2.
Pit got vm ein glückhaftige stund.
5 Zum anderen, daz man seiner geschtalt vnd glidmos
ach nem3, mit etlicher ferclerung4.
Zum tritten, wie man jn zw der lernung anfencklich
vnder weisen söll, mit etlicher verklerung5.
Zum firden, daz man acht hab, ob mit güten lob
o oder scheltung der knab am pesten zw leren sey. Mit
verklerung.
Zum 5., daz der knab jn lust zw lernen behalten
werd vnd jn nit vrtützig6 mach.
Daz sext, ob sich der jung zw fill vbte, do fan jm dy
5 Melecoley vber hant mocht nemen, daz er durch
kurtzwelich seiten spill zw leren do von gezogen
werd zw ergetzlikeit seins geplütz7.
2. Der ander teill der fored seit.
Zum ersten, daz der knab getzogen werd. awfif die
o gotz förcht, von got zw begeren die gnod der sub-
tilitet8 vnd got eren.
3. haben] danach gestrichen der gepurt halb. 9. Zum] kor-
rigiert aus zun.
Kanzleisprache zum Adj. frei, offenbar in einer Bedeu-
tungsdifferenzierung der älteren Bildung Freiheit gegen-
über. Freyikeitt bedeutet etwa Freizügigkeit, selbstver-
ständlich im Rahmen des damaligen Kunstbereiches. Die
Wortbildung vermochte ich in keinem Wörterbuch nach-
zuweisen. An frnhd. freidikeit, Keckheit, ist kaum zu
denken.
9 Vgl. dazu die Inhaltsangabe Nr. 2, 1, wo eine Auf-
gliederung dieser Untergebiete gegeben ist.
10 „sich“ ist offenbar Konjunktiv Praesentis, vokalisch
an den Indikativ angeglichen.
11 Das überlieferte „schilt“ ist nicht Schreibfehler, wie
Lange-Fuhse annahmen, sondern gehört zu schielen,
schillen, schilchen swv., in schiefer Richtung blicken, von
der Seite anblicken, beobachten, refl. mit Blicken für sich
etwas auswählen, für sich entnehmen, sich aneignen. Der
Satz ist zu übersetzen: Der dritte Teil handelt von all
dem, was man sehen könne, er sondert für sich ein Teil
ab, um es nachzubilden, in sechserlei Weise.
12 vollbringen kann.
Daz ander, das er messig gehalten werd mit essen
vnd trinchken, des geleichen mit schloffen9.
Zum triten, daz er ein lüstige10 wonunng hab, do er
durch keinerley hindernus gejrd11 werd. 25
Zum virten, daz er behut werd for frewlichem ge-
schlecht, nit pey jm wonen los, das er keine plos sech
oder an greiff, vnd sich vor aller vnlawterkeit be-
hut. Kein ding schwecht die vernunft mer den
vnlawterheit12. jo
Zum fünften, daz er wol lessen vnd schreiben kün
vnd mit dem Latein awff ertzogen werd, zw versten
ettlich geschrift.
Zum sexten, daz ein sollicher das fermügen hab, mit
verlegung sollichem aws zw warten13 vnd sein war- 35
genumen werd mit ertzey14, so ers betraff15.
[5b] 3. Daz tritteill der fored seit.
Zum ersten, es ist ein nutze kunst, wan sie jst gott-
lich vnd wurt geprawcht zw guter hellger16 ver-
manvng17. 40
Zum anderen ist sy nütz. Vill vbells18 gwürd dor-
durch ver miten, so man in künsten vm gett, dy
sunst gschehen, so man feirt.
38. sie] Hs. so.
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