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Dürer, Albrecht; Rupprich, Hans [Hrsg.]
Schriftlicher Nachlaß (Band 2): Die Anfänge der theoretischen Studien ; das Lehrbuch der Malerei: von der Maß der Menschen, der Pferde, der Gebäude ; von der Perspektive ; von Farben ; ein Unterricht alle Maß zu ändern — Berlin, 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.29732#0103

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B. ENTWÜRFE ZUR EINLEITUNG NR. i

der Melancholie im Sinne Ficinos als die schicksalhafle Veranlagung des geistigen Menschen im Meisterstich
von 1514; die Gestaltung aller vier Temperamente in den Vier-Apostel-Bildern von 1526, wo Johannes
als Sanguiniker, Petrus als Phlegmatiker, Markus als Choleriker, Paulus als Melancholiker dargestellt sind.

*

Zeitlich setzen die Niederschriften zur Einleitung etwa 1508/09 ein und reichen im allgemeinen bis 1523.
Nur wenige sind von Dürer selbst datiert. Nr. 5, 3 trägt die Jahreszahl 1512, die Nummern 9, 1-3, zeigen
die Jahreszahl 1513. Die Mehrzahl der Entwürfe dürfte in diesen Jahren entstanden sein. Im Jahre 15n
hatte Dürer neben andern die Reihe der großen, die Arbeitszeit stark beanspruchenden Gemälde abge-
schlossen. Darnach scheint er sich mit besonderer Energie auf die Arbeiten für das Lehrbuch konzentriert
zu haben. Die Studien waren in verhältnismäßig kurzer Zeit so weit vorgeschritten, daß eine Veröffent-
lichung ins Auge gefaßt werden konnte.

Nach längerem Schwanken entschloß Dürer sich jedoch um 1513, von der Ausführung des Gesamtplanes eines
Lehrbuches der Malerei zunächst abzusehen und vorerst die Proportionslehre des Menschen fertigzustellen.
Der Entschluß erfolgte nicht von heute auf morgen. Man kann daher die Texte weder inhaltlich noch chrono-
logisch scharf voneinander trennen. Den Übergang lassen die Texte erkennen, in denen es um die Notwen-
digkeit geht, das schöne Menschenbild mit Hilfe der Elektion zu gestalten.

Als erster Theoretiker der bildenden Kunst in Deutschland ist Dürer auch der erste, bei dem eine kunst-
wissenschaftliche Terminologie mit einem bestimmten Begriffsinhalt in Erscheinung tritt. Sie basiert ähnlich
wie jene der Renaissance auf Ausdrücken und Begriffen der antiken poetisch-rhetorischen Stilistik, die von
Alberti u. a. auf die Stillehre der bildenden Kiinste übertragen wurde. Auch in Dürers Begriffssystem ist
die Tradition Platon, Cicero, Augustinus, Scholastik deutlich zu erkennen, wozu außerdem Berührungen
mit dem Wortschatz der deutschen Mystik beobachtet werden können.

Nr. 1

ÜBER DIE MALEREI UND ÜBER DIE SCHÖNHEIT.

Von Dürers Hand. London 5230, fol. 14 f. (IV 83 f. oder 112). Zwei Blätter 30.5 X 22.2 cm. Fol. 14 ohne
Wz., Fol. 15: Anker mit Kreis, darauf Seestern. Fol. 15b ist leer.

Datierung: Der gedankliche Zusammenhang mit Malerei und Kunsterziehung rückt die Ausführungen nahe
an die Vorrede und die Inhaltsvorhaben des Lehrbuches der Malerei, also 1508/09.

Drucke: Teilweise bei Zahn, S. 13; Conway, S. 204; Lange-Fuhse, S. 287 ff.

[Fol. 14a]

Van der molerey

Item wer ein moler will werden, der mus fan natür1
dorczw geschick sein.

Item dy kunst des malens würt pas durch lib vnd
5 lust gelernt dan durch czwang.

Item aws welchem ein grosser künstreicher moler
soll werden, der mus gantz van jugent awff darpey
ertzogen werden.

1—11. fan bis heis durch einen Längsstrich wieder gestrichen.

Item er mus van guter wercklewt kunst erstlich vill
ab machen2, pis daz er ein freie hant erlangt. 10

Item was gemalt heis.

Item malen ist das, das einer van allen sichtigen
dingen eins, welches er will, wis awff ein eben ding
zw machen, sy seyen wy sy wöllen3.

Item es ist bequem4, ein jtlichem ein menschliche 15
gestalt zum ersten leren aws teillen5 vnd jn ein mas
pringen, e man ettwas anderst lerne.

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