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Dürer, Albrecht; Rupprich, Hans [Hrsg.]
Schriftlicher Nachlaß (Band 2): Die Anfänge der theoretischen Studien ; das Lehrbuch der Malerei: von der Maß der Menschen, der Pferde, der Gebäude ; von der Perspektive ; von Farben ; ein Unterricht alle Maß zu ändern — Berlin, 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.29732#0156

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II. DAS LEHRBUCH DER MALEREI

unten, zusammengestellt. Der Umriß des Körpers wird frei zwischen den festgelegten Punkten gezogen.
Selbstverständlich kommen diese Momente nicht auf einmal, aber um das Jahr 1513 sind sie in ihrer Gesamt-
heit vorhanden.

Man hat nachgewiesen, daß die Ursachen der Umorientierung Dürers von einer geometrischen zu einer
arithmetischen Methode in der Berührung mit der italienischen Proportionstheorie liegen, deren Systeme sich
alle einer rein arithmetischen Maßnormierung bedienten.

An welche Persönlichkeiten und Schriften bei diesem Kontakt zu denken ist, vor allem aber, wie sich die
Berührung abgespielt hat, diese Fragen zu beantworten, bereitet große Schwierigkeiten.

*

Dürer selbst nennt im gesamten Schriftlichen Nachlaß außer Jacopo de’Barbari, der ihm Mann und Weib
wies, die aus der Maß gemacht waren, keinen einzigen Namen eines fiihrenden italienischen Kunsttheoretikers,
wohl aber gibt es einige allgemeine Aussagen Dürers über sein Verhältnis zur italienischen Kunstlehre und
Proportionskunde. Wir reihen die in Betracht kommenden im folgenden chronologisch aneinander und
versuchen, ihren Sinngehalt zu erschließen.

Die erste aus dem Jahre 1512 stammende Äußerung steht in einem Entwurf zur Einleitung in das Lehrbuch
der Malerei und wurde von uns bereits für die Einführung zu Kapitel II A herangezogen. Ihre Aussage gilt
auch speziell für die Proportionslehre. Dürer hörte bis dahin von keinem gleichzeitig Lebenden, daß er etwas
niederschrieb und veröffentlichte, das er zu seiner Förderung lesen könnte. Die wirklichen Künstler und
Forscher, von denen er lernen möchte, verbergen ihre Kenntnisse, die stilgewandten Dilettanten verstehen
nichts von der Sache.

Die zweite erhaltene Äußerung Dürers erfolgte 11 Jahre später und steht in einem Einleitungsentwurf zur
Proportionslehre von 1523 (Kap. II B, Nr. 13, 3). Der Sinn der Sätze ist: Besondere Bücher zur Proportion
des Menschen sind auch bisher nicht zu Dürer nach Deutschland gelangt; die großen italienischen Meister
haben nichts dergleichen veröffentlicht. Seine Unterweisung ist nur für die deutschen Jünglinge gedacht. Von
den großen Künstlern und Gelehrten in Italien erbittet er selbst Unterrichtung und Verbesserung seiner Dar-
legungen. Denn Dürer weiß, daß sich die namhaftesten Italiener mit den gleichen Problemen wie er befassen,
und fleht sie förmlich an, ihr Wissen nicht versteckt zu halten, sondern freigebig auszuteilen.

Eine dritte Aussage steht in einem weiteren Einleitungsentwurf ebenfalls aus dem Jahre 1523 (Kap. II B,
Nr. 13,4): Die Proportionskunde des Menschen ist in Verlust geraten und lange Zeit außer Gebrauch gewesen.
Seit etwa 150 Jahren hat man damit wieder angefangen. Doch haben ihre neuerlichen Pfleger noch nichts
zeichnerisch entworfen und niedergeschrieben veröffentlicht. Wiederum bittet Dürer die großen italienischen
Meister, da doch vor der jetzigen Recreszenz ein volles Jahrtausend nichts mehr erfunden und überliefert
wurde und diese Wissenschaft vollständig erloschen war, sie mögen ihre von Gott verliehenen Gaben
der Ailgemeinheit mitteilen. Ja, er hofft sogar, durch seine Publikation in ihrer Unvollkommenheit die
großen Italiener zu reizen, daß sie anerkanntermaßen mit ihrem großen Wissen schnell herausfahren.
Ähnlich äußert sich Dürer in der Reinschrift der Vorrede der Proportionslehre von 1523: „Es soll awch
nymantz gedencken, das jch mich wöll vndersten, den hoch berümbten meistern jn füer zw schreiben vnd
sy zw lernen, sunder filmer, so sy etwas an dag lassen kumen, jn mit fleisiger vbung, so vill mich dy grobikeit
meiner natur nit jrt, fleissig noch zw foigen, so vill mir müglich ist, vnd jr lob helffen aws preitten. Dorum
helft liben hern vnd frewnt, gebt miltiglich heraws dy gaben gottes, dy jn ewch gossen sind, awff das gott
jn ewch geert werd vnd den prüdern zw gut kum. Dan jr wist, das jn tavsent jorn diese kunst gar jn kehien

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