Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Dürer, Albrecht; Rupprich, Hans [Editor]
Schriftlicher Nachlaß (Band 2): Die Anfänge der theoretischen Studien ; das Lehrbuch der Malerei: von der Maß der Menschen, der Pferde, der Gebäude ; von der Perspektive ; von Farben ; ein Unterricht alle Maß zu ändern — Berlin, 1966

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29732#0373

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
F. VON DER PERSPEKTIVE

Weges“; 2. Geradlinige, in einem verkürzten Quadrat efgh befindliche Figuren in seine Verkürzung
a' b' c' d' richtig mitverkiirzt einzutragen. Diese Aufgabe stellte und löste als erster Piero de’Franceschi
(a. a. O., Figur 18/20 und 25/29, Text S. IX ff.). Damit übereinstimmende Lösungen finden sich bei Dürer:
a) im Dresdener Skizzenbuch, fol. 184b (Bruck, Taf. 138), wo zunächst ein einzelnes Dreieck in das ver-
kürzte Quadrat gebracht wird (Piero, Fig. 18), dann in ein Dreieck neben einem unregelmäßigen Achteck
(Piero, z.B. Fig. 27); b) im Dresdener Skizzenbuch, fol. 184* (Bruck, Taf. 148)1. Keine der Zeichnungen
nahm Dürer in die „Unterweisung der Messung“ (1525) auf. Erst die postum erschienene Auflage von
1538 brachte auf Fol. P5b/Qia aus dem Nachlaß eine Figur, die das zusammenfassende Ergebnis darstellen
sollte: im perspektivischen Bilde eines Quadrates einen im Quadrate selbst bestimmten Punkt zu finden,
welcher Lösung analog auch ein gegebener Punkt in einem Würfel vermittelst zweier Flilfsebenen zu finden
ist (vgl. F 3 a, Nr. 2).

*

Für das annähernde Vorgehen wollte Dürer vier Hilfsmittel aufzubauen und gebrauchen lehren, die auf
mechanischem Wege eine perspektivisch richtige Darstellung beliebiger Körper ermöglichen2. Diese Appa-
rate, die nur eine ungefähre Genauigkeit bieten, waren hauptsächlich für die Praxis gedacht, um nicht
jedesmal komplizierte und zeitraubende Konstruktionen durchführen zu müssen. Alle vier Behelfe beruhen
auf dem Prinzip, die Sehpyramide mit einer durchsichtigen Ebene zu durchschneiden und das sich auf
dieser darstellende Bild zeichnerisch festzuhalten.

Das erste Vorgehen dieser Durchzeichnungsperspektive arbeitet auf folgende Weise: Zwischen den darzu-
stellenden Raum mit seinen Gegenständen und das durch ein bewegliches Visier fixierte Auge wird eine
Glasplatte gebracht. Jeder Punkt des Gesehenen liegt auf einer bestimmten Stelle der Platte. Zeichnet man
mit Schwarzlot alle diese Punkte auf das Glas, so erhält man das perspektivische Bild. Von der Glasplatte
kann das Bild dann weiter übertragen werden. Zeichnungen eines solchen Glastafelapparates befinden sich
im Dresdener Skizzenbuch, fol. 177b (Bruck, Taf. 135), und London 5229, fol. 131^, eine Anweisung zur
Herstellung und Verwendung nahm Dürer in die Unterweisung der Messung von 1525, fol. Qbf, auf3.
Der Fol. Q^b stehende Holzschnitt „Zeichner des sitzenden Mannes“ (T939) sollte den Gebrauch ver-
anschaulichen. Dieser Glasplattenapparat wird von Leonardo (Ed. Richter, S. 5) ausführlich beschrieben und
(nach dem Bericht von Lomazzo, Trattato dell’arte dellaPittura V, 21—24) von Bartolommeo Suardi, genannt
Bramantino, empfohlen. Das Verfahren war daher um 1500 in Oberitalien bekannt. Dürer hat es wahr-
scheinlich während seines Aufenthaltes im Siiden 1505/07 kennengelernt. Das Gerät war von Dürer in
erster Linie für die Porträtzeichnung gedacht.

Das zweite Verfahren benutzt einen Flolzrahmen, zwei Fäden, eine Nadel und einen Nagel, der ein öhr
hat. Der Rahmen vertritt die Bildebene, das Nagelöhr fungiert als Auge, der Faden als Sehstrahl. Der
Apparat ist dargestellt im Holzschnitt „Der Zeichner der Laute“ in der Unterweisung der Messung von
1525, fol. Q3a (T940). Vorausgeht eine ausführliche Anleitung zum Aufbau und Gebrauch. Das Verfahren
gilt als Dürers eigene Erfindung4.

1 Fol. 184 trägt fünf Zeilen flüchtig hingeworfene Schrift, vermutlich zu einem Brief: „D ... mein freunt... zw vor ...
Das andere vermag icht nicht zu entziffern.

2 B 146, 147, 148, 149.

3 Vgl. auch J. Meder, Die Handzeichnung, S. 466 ff. und 546 f. Nach Meder hat Dürer den Glastafelapparat vermut-
lich für die Bildniszeichnung seines Bruders Andreas im verlorenen Profil aus dem Jahre 1514 (W 557) benützt. Deutlich
weisen englische Bildnisse Holbeins auf die Glasscheibentechnik hin.

4 Vgl. dazu auch die Schilderung der Verwendung bei Daniele Barbaro, Prattica della Perspettiva (Venedig 1568),
S. 191.

369
 
Annotationen