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Dürer, Albrecht; Rupprich, Hans [Hrsg.]
Schriftlicher Nachlaß (Band 2): Die Anfänge der theoretischen Studien ; das Lehrbuch der Malerei: von der Maß der Menschen, der Pferde, der Gebäude ; von der Perspektive ; von Farben ; ein Unterricht alle Maß zu ändern — Berlin, 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.29732#0377

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F. 2. PERSPEKTIVA NATURALIS NR. i

Datierung: Mit Rücksicht auf die Mitarbeit Pirckheimers bei der Übertragung aus der Euklid-Ausgabe
von 1505 können die Niederschriften erst nach Dürers Rückkehr aus Italien entstanden sein. Sie gehören
vermutlich den Jahren 1507/09 an.

Druck: Lange-Fuhse, S. 322 ff., ohne die Theoreme 37—40. Die Zeichnungen bisher nicht veröffentlicht.

1

[5228, fol. 202a]

Item prospectiua1 ist ein lateinisch wort, pedewt
ein durchsehung.

Item zw der selben durchsehung gehören funff
ding:

5 Recht vrsach funff ding zum gesicht:

Daz erst ist daz awg, daz do sicht.

Daz ander ist der gegen würff2, der gesehen v/irt.
Daz trit ist dy weiten do tzwischen.

Daz firt: alding sicht man durch gerad linj, daz
10 sind dy kürtzesten linj.

Item daz fünft ist dy teillung von ein ander der
ding, dy dw sichst3.

Item aws dem entspringtt zum ersten dy furne-
mung4 *:

15 So dy linj, als oben stett jn dem fyrten, daz all
ding durch gerad linj werden gesehen. Doch wer-
den dy selben rady6 von ein ander geteilt jn der
weiten, daz sy vnder schidlich von ein ander wer-
den, also daz sich macht ein conus6, der sich mit
20 seim spitz jn dein awg wirf [t]7.

Item dy ander furnemung:

Allein dy ding mag8 man sehen, do daz gesicht hin
mag kumen.

Item dy tryt furnemvng:

25 Und wo daz gesicht durch gerad linj, als oben stett
jn der firten vrsach, nit mag hin kumen, daz mag

20. dein] korrigiert aus sein; wirft] t weggeschnitten.

nit gesehen werden, wan daz gesicht entpfecht9
durch kein krume linj.

Item dy firt vürnemvng:

Item all ding, dy gesehen werden vnder den rady, 30
dy sich weit awff dun, dy geduncken [gros].

Item dy funft vurnemen:

Alle ding, dy jn engen rady begriffen werden, dy
duncken klein.

Item dy sext vurnemung: 35

Alding, dy jn gleichen rady gesehen werden, sy
sind10 gros oder klein, weit oder nohett, dy ge-
duncken all ein grös haben11.

Item dy 7. vurnemung:

All ding, dy jn hohen rady gesehen werden, dy 4D
geduncken hoch.

Item dy 8. vurnemwng:

Vnd [dy] jn nideren rady gesehen werden, dy
duncken nider.

Item dy 9. vürnemung: 45

Alding, daz von dem rady awff der rechten seiten
begriffen wird, daz schent12 awff der rechten sey-
ten sein.

Item dy 10. vurnemwng:

Vnd was awff der lincken seyten dy rady begreiffen, JO
daz bedunckt dich awff der lyncken seiten sein13.

Item dy elft vurnemwng: . . .

31. gt'os] weggeschnitten. 43. dy] fehlt Hs.

ANMERKUNGEN

1 Dürer schreibt „prospectiua“ nicht „perspectiua“, wie
bei Lange-Fuhse steht.

2 Gegenstand, Objekt.

3 Wie Panofsky, AaO, S. 42 f., festgestellt hat, decken

sich diese nicht auf Euklid zurückführbaren Einleitungs-

sätze weitgehend mit Piero de’ Franceschis ebenfalls

fünf „teile“ der Perspektive unterscheidenden Vorbe-

merkungen: „La quale parte contiene inse cinque parti:

la prima e il uedere cio e locchio. Seconda e la forma

dela cosa ueduta, la terza e la distantia da loschio alla
cosa ueduta. La quarta e le linee che separtano da
lestremita della cosa euanno alocchio. La quinta e il
termine che e intra lochio e la cosa ueduta doue se
intende ponere le cose.“ In deutscher Sprache: „Dieser
Teil enthält in sich fünf Unterabteilungen: die erste be-
trifft das Sehen, nämlich das Auge, die zweite die Form
des gesehenen Gegenstandes, die dritte den Abstand vom
Auge bis zum gesehenen Objekt, die vierte die Linien,

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