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Dürer, Albrecht; Rupprich, Hans [Hrsg.]
Schriftlicher Nachlaß (Band 2): Die Anfänge der theoretischen Studien ; das Lehrbuch der Malerei: von der Maß der Menschen, der Pferde, der Gebäude ; von der Perspektive ; von Farben ; ein Unterricht alle Maß zu ändern — Berlin, 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.29732#0406

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III. EIN UNTERRICHT ALLE MASS ZU ÄNDERN

die für das erste Buch bestimmt waren, verändert, aber es wird auch der nadi dem Exempedaverfahren
konstruierte Mann gg hh mit Hilfe des Wählers zum Mann ji hh umkonstruiert und es werden die eben-
falls aus dem Maßstab gemachten, für das zweite Buch vorgesehenen Paare, Mann und Frau von etwa
8 Kopflängen (5.) und schlanker Mann und schlanke Frau von 8V2 Kopflängen (letztes Paar), mit Hilfe
der Fälscher verändert.

*

Bei den Vorarbeiten zum dritten Buch fehlen ähnlich wie in der gedruckten Ausgabe zumeist die zahlen-
mäßigen Maßangaben. Ausnahmen bilden: 1. Veränderungen durch den Verkehrer, weil diese auf die
ganzeFigur angewandteHilfskonstruktion nur eine gleichmäßigeVergrößerung oderVerkleinerung der abso-
luten Werte hervorbringt; 2. Vermessungen für die Veränderungen mit Hilfe des Zwillings; 3. nachträg-
liche Korrekturen Dürers an einzelnen Stücken, etwa am Maß der Füße und Köpfe, gegenüber dem aus
der geometrischen Veränderung resultierenden Werte. DieGründe für das Fehlen liegen in demUmstand, daß
die von Dürer bei den Variationen angewandten geometrischen Verfahren, soweit sie wirkliche Verände-
rungen der Maßrelationen sind, Maßverhältnisse ergeben, die nur durch sehr komplizierte Bruchzahlen
ausdrückbar wären oder gar irrational sind. Das letztere ist dann der Fall, wenn einzelne Teilstrecken durch
einen der beiden Fälscher verändert werden und andere unverändert bleiben1.

Was im folgenden zum Abdruck gebracht wird, sind Vorentwürfe, Studien und Konzepte zur Lehre von
den Veränderungen und Verkehrungen. Die Reihenfolge beginnt mit den Niederschriften zum Titel, den
das Grundsätzliche behandelnden Aufstellungen der Gegensatzbegrifte und den Variationsverfahren. Dem
folgen die Materialien, welche die durch den Verkehrer, Wähler, Zwilling, Zeiger und die beiden Fälscher
zu bewirkenden Veränderungen aufzeigen. Ein gesonderter Abschnitt ist den Veränderungen des Kopfes
gewidmet.

Leider ist keine der erhaltenen Niederschriften von Dürer selbst datiert. Mit Hilfe einer London 5231,
fol. 91b, mitten im Text befindlichen Feder-Skizze „Greif mit Stahl und Stein“ für die Ehrenpforte Kaiser
Maximilians I. ist es jedoch möglich, diese Niederschrift mit Sicherheit für die Jahre 1512 oder 1513
festzulegen. Dürer will zeigen, wie man den Mann a b mit Hilfe des Verkehrers entweder verlängern
kann zu einem Mann d e oder verkürzen zu einem Mann f g.

Eine zweite Handhabe zu einer Datierung bietet London 5231, fol. 99, wo sich auf 99b die Feder-Skizze
für die Geflügelte Frau über dem Mitteltor der Ehrenpforte befindet. Die Vorderseite 99* trägt eine
Niederschrift, in der Dürer lehrt, wie der Mann aa bb mit Hilfe des Fälschers verändert werden kann zu
einem Manne von 9 Kopflängen gg hh. Da auch hier die Zeichnung den Jahren 1512 oder 1513 entstammt,
ist die Niederschrift gleichfalls in diese Zeit zu setzen.

Durch die zeitliche Festlegung der beiden Texte, die glücklicherweise, der eine eine Veränderung vom
Anfang, der andere eine solche vom Ende des III.Buches vorführen, ergibt sich die Möglichkeit, um sie
eine ganze Reihe anderer Konzepte und Niederschriften zu gruppieren und zu datieren. Die beiden Texte
zeigen auch, daß Dürer schon zu einer Zeit, als er noch vor hatte, zunächst ein Lehrbuch der Malerei
auszuarbeiten, mit dem Problem der Veränderung beschäftigt war. Die Richtigkeit dieser zeitlichen An-
setzungen wird durch Zeichnungen zur Variation des menschlichen Kopfes bestätigt.

1 Vgl. Panofsky, Jahrbuch für Kunstwissenschaft 1926, S. 163 f.

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