DER DOGENPALAST
§ 1. Im Anfang des vorigen Kapitels war bemerkt worden,
dass die gotische Kunst in Venedig durch den Bau des Do-
genpalastes in zwei verschiedene Perioden geteilt war; und
dass bei allen Privatgebäuden, die ein halbes Jahrhundert
lang nach seiner Vollendung errichtet wurden, ihre charak-
teristischen und effektvollsten Teile mehr oder weniger ge-
nau nach ihm kopiert waren. Tatsächlich war der Dogen-
palast das Hauptwerk Venedigs zu jener Zeit, für den es
viele Jahre lang seine höchste Phantasie aufgewandt, seine
besten Architekten bei seinem Mauerwerk und seine besten
Maler bei seiner Dekoration beschäftigt hatte, und wir müs-
sen es als bemerkenswertes Zeugnis für den Einfluss auf-
fassen, den es auf die Gemüter derjenigen ausübte, die es
entstehen sahen, dass, während in anderen Städten Italiens
sich jeder Palast und jede Kirche in origineller und täglich
gewagterer Form erhob, die Erhabenheit dieses einzelnen
Gebäudes imstande war, die gotische Phantasie in ihrem
vollen Lauf aufzuhalten; dass es die Ruhelosigkeit der Neue-
rungssucht sofort stillte und den Kräften, die sie geschaffen
hatten untersagte, sich nach neuen Richtungen hin anzu-
strengen oder zu versuchen, ein anziehenderes Bild herauf-
zubeschwören.
§ 2. Der Leser wird kaum glauben, dass, während die bau-
künstlerische Erfindungskraft der Venezianer sich so, dem
Narciss gleichend, in Selbstbetrachtung verlor, die verschie-
denen Berichte über den Fortgang des so bewunderten und
geliebten Gebäudes so verwirrt sind, dass es häufig zweifei-
§ 1. Im Anfang des vorigen Kapitels war bemerkt worden,
dass die gotische Kunst in Venedig durch den Bau des Do-
genpalastes in zwei verschiedene Perioden geteilt war; und
dass bei allen Privatgebäuden, die ein halbes Jahrhundert
lang nach seiner Vollendung errichtet wurden, ihre charak-
teristischen und effektvollsten Teile mehr oder weniger ge-
nau nach ihm kopiert waren. Tatsächlich war der Dogen-
palast das Hauptwerk Venedigs zu jener Zeit, für den es
viele Jahre lang seine höchste Phantasie aufgewandt, seine
besten Architekten bei seinem Mauerwerk und seine besten
Maler bei seiner Dekoration beschäftigt hatte, und wir müs-
sen es als bemerkenswertes Zeugnis für den Einfluss auf-
fassen, den es auf die Gemüter derjenigen ausübte, die es
entstehen sahen, dass, während in anderen Städten Italiens
sich jeder Palast und jede Kirche in origineller und täglich
gewagterer Form erhob, die Erhabenheit dieses einzelnen
Gebäudes imstande war, die gotische Phantasie in ihrem
vollen Lauf aufzuhalten; dass es die Ruhelosigkeit der Neue-
rungssucht sofort stillte und den Kräften, die sie geschaffen
hatten untersagte, sich nach neuen Richtungen hin anzu-
strengen oder zu versuchen, ein anziehenderes Bild herauf-
zubeschwören.
§ 2. Der Leser wird kaum glauben, dass, während die bau-
künstlerische Erfindungskraft der Venezianer sich so, dem
Narciss gleichend, in Selbstbetrachtung verlor, die verschie-
denen Berichte über den Fortgang des so bewunderten und
geliebten Gebäudes so verwirrt sind, dass es häufig zweifei-