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GOTISCHE PALASTE

§ 1. Die Bauwerke, aus deren Überresten wir versucht
haben, eine gewisse Vorstellung von Venedig während der
byzantinischen Epoche zu gewinnen, tragen heutigestags
kaum etwas zur Wirkung seiner Straßen bei. Es sind zu
wenige, und sie sind zu entstellt, um den Blick anzuziehen
oder die Gefühle zu beeinflussen. Der Reiz, den Venedig
noch immer besitzt, und der es während der letzten fünfzig
Jahre zum Lieblingsaufenthalt aller Maler pittoresker Vor-
würfe gemacht hat, ist der Wirkung der Paläste zu verdan-
ken, die der Epoche angehören, welche wir jetzt zu prüfen
haben, untermischt mit denen der Renaissance.

Diese Wirkung ist auf zweierlei Weise hervorgebracht.
Die Renaissance-Paläste sind an sich nicht malerischer als
die Klubhäuser von Pall Mall; aber sie wirken entzückend
durch den Kontrast, den ihre Strenge und Verfeinerung zu
der reichen und rohen Verwirrung des Seelebens zu ihren
Füßen bildet und ihr weißes festes Mauerwerk zu den
grünen Wellen. Man entferne unter ihnen die orangefarbenen
Segel der Fischerboote, das schwarze Gleiten der Gondeln,
die beladenen Verdecke und rohen Schiffsmannschaften der
Handelsbarken, und das Kräuseln des grünen Wassers an
ihren Fundamenten, und die Renaissance-Paläste besitzen
nicht mehr Interesse, als die von London oder Paris. Aber
die gotischen Paläste sind an und für sich malerisch und
üben eine selbständige Macht über uns aus. Meer und
Himmel, und jedes andere Beiwerk könnte von ihnen entfernt
werden, und sie würden dennoch schön und seltsam er-
 
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