286
Fensters zurechtgeschnitten ist. In der Porta della Carta,
in der Kirche der Madonna dell' Orto, in der Casa Bernardo
am Canal Grande, in der alten Kirche der Misericordia,
und überall, wo sich sonst reiche Maßwerke in Venedig
vorfinden, wird man stets sehen, dass eine gewisse Anord-
nung von Kleeblättern und anderen Mustern entworfen war,
als ob es für meilenlange Arkaden berechnet wäre, und
aus diesem kolossalen Stück marmorner Spitze ist ein Stück
von der Form eines Fensters mitleidslos und furchtlos
herausgeschnitten; es hat nicht das geringste zu bedeuten,
was für Bruchstücke und sonderbare Lücken, und Über-
bleibsel dieses oder jenes Musters der Blattverzierung am
Rande des Fensters vorkommen; alle sind durchgeschnitten
und von der großen Außenarchivolte eingeschlossen.
Es ist sehr merkwürdig, dass die Venezianer das, was in
anderen Ländern so große individuelle Wichtigkeit annahm,
nur als eine Art von geblümtem Grund betrachteten, gleich
dem ihrer Schachbrett-Farben an den Wänden. Es liegt
große Erhabenheit in dem Gedanken, obgleich das System
der Maßwerke dadurch zerstört wurde; aber sie behandel-
ten ihre Gebäude stets mehr als Massen von Farbe und
nicht von Linie; und die großen Maßwerke des Dogen-
palastes selbst sind nicht mehr geschont worden, als die
der untergeordneten Paläste. Sie sind an den Seiten mitten
durch ihre Vierblätter geschnitten und die Abschlussgesimse
nehmen die Hälften auf, wie es gerade trifft.
Ein weiterer Umstand ist noch zu erwähnen. Bei guter
nordischer Gotik haben die Maßwerkstäbe ein feststehen-
des, auf beiden Seiten gleiches Profil; und wenn das Muster
der Maßwerkblätter so kleine Zwischenräume bildet, dass
kein Raum für das vollständige Profil des Maßwerkstabes
bleibt, dann werden diese Lücken ganz geschlossen, und
man nimmt an, dass die Maßwerkstäbe zusammengetroffen
sind. Wo aber in Venedig ein Zwischenraum störend klein
erscheint, wird ihm sofort der Maßwerkstab geopfert, ab-
geschnitten, oder das Profil irgendwie geändert, um mehr
Raum für das Licht zu schaffen, besonders bei den frühen
Maßwerken, so dass die eine Seite des Maßwerkstabes oft
Fensters zurechtgeschnitten ist. In der Porta della Carta,
in der Kirche der Madonna dell' Orto, in der Casa Bernardo
am Canal Grande, in der alten Kirche der Misericordia,
und überall, wo sich sonst reiche Maßwerke in Venedig
vorfinden, wird man stets sehen, dass eine gewisse Anord-
nung von Kleeblättern und anderen Mustern entworfen war,
als ob es für meilenlange Arkaden berechnet wäre, und
aus diesem kolossalen Stück marmorner Spitze ist ein Stück
von der Form eines Fensters mitleidslos und furchtlos
herausgeschnitten; es hat nicht das geringste zu bedeuten,
was für Bruchstücke und sonderbare Lücken, und Über-
bleibsel dieses oder jenes Musters der Blattverzierung am
Rande des Fensters vorkommen; alle sind durchgeschnitten
und von der großen Außenarchivolte eingeschlossen.
Es ist sehr merkwürdig, dass die Venezianer das, was in
anderen Ländern so große individuelle Wichtigkeit annahm,
nur als eine Art von geblümtem Grund betrachteten, gleich
dem ihrer Schachbrett-Farben an den Wänden. Es liegt
große Erhabenheit in dem Gedanken, obgleich das System
der Maßwerke dadurch zerstört wurde; aber sie behandel-
ten ihre Gebäude stets mehr als Massen von Farbe und
nicht von Linie; und die großen Maßwerke des Dogen-
palastes selbst sind nicht mehr geschont worden, als die
der untergeordneten Paläste. Sie sind an den Seiten mitten
durch ihre Vierblätter geschnitten und die Abschlussgesimse
nehmen die Hälften auf, wie es gerade trifft.
Ein weiterer Umstand ist noch zu erwähnen. Bei guter
nordischer Gotik haben die Maßwerkstäbe ein feststehen-
des, auf beiden Seiten gleiches Profil; und wenn das Muster
der Maßwerkblätter so kleine Zwischenräume bildet, dass
kein Raum für das vollständige Profil des Maßwerkstabes
bleibt, dann werden diese Lücken ganz geschlossen, und
man nimmt an, dass die Maßwerkstäbe zusammengetroffen
sind. Wo aber in Venedig ein Zwischenraum störend klein
erscheint, wird ihm sofort der Maßwerkstab geopfert, ab-
geschnitten, oder das Profil irgendwie geändert, um mehr
Raum für das Licht zu schaffen, besonders bei den frühen
Maßwerken, so dass die eine Seite des Maßwerkstabes oft