Metadaten

Anton Schroll und Co. (Wien)
Almanach des Verlages Anton Schroll & Co: Kunst, Dichtung, Kunstgewerbe — Wien: Anton Schroll, 1926

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.68619#0028

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Einblick in das Wechselspiel der Kräfte, aus dem die
neue, selbständige venezianische Kunst hervorging.
Der innerste Sinn des Giorgionismus ist die Über-
windung jener Bestrebungen, welche die Antike als
Objekt der Nachahmung ansahen. Weil dies in der
Malerei nicht klar genug zutage tritt, bleibt dieser
wesentliche Faktor der neuen Kunst dem einseitig
auf die Malerei Bedachten verschlossen. Verfolgen wir
aber die Entwicklung der Plastik von ihrem Erstarken
in volkstümlichen naturalistischen Formen an, beachten
wir ihr rasches, jähes Abschwenken auf das Gebiet
der Nachahmung einer scheinbar neuentdeckten Antike,
verweilen wir bei Künstlern, die nicht müde werden,
diese Errungenschaft durch ihre Werke als höchstes,
endlich erreichtes Gut der Kunst zu preisen, so werden
wir doch bald einen leisen aber immerhin erkennbaren
Gärungsprozeß gewahr, durch den der Zwang zur
Nachahmung in Frage gestellt und eine deutliche Sehn-
sucht nach Freiheit geoffenbart wird. Es ist allerdings
nicht mehr die wilde Freiheit der Naturalisten, die
hier ersehnt wird; das Studium und die dadurch er-
worbene Kenntnis der Antike haben die Geister geläutert;
wie die lateinschreibenden Humanisten neuen Literaten
von höchstem Rang weichen müssen, die sich wieder
des Italienischen bedienen, und zwar eines durch das
Studium des Lateinischen erneuerten Italienischen, so
wenden sich im Kreise der „antikischen“ Künstler die
bedeutendsten bewußt oder unbewußt einer Strömung
zu, die ihrem eigenen Gestaltungswillen Freiheit gewährt
und dem Zwange des Antikisierens widerstrebt. Nur

22
 
Annotationen