ERSTES BUCH ■ 1464-1541
Richtung auf Einheitlichkeit und Großräumigkeit bis zu dem Zeitpunkt ent-
wickelt, wo sie um 1515 reif war in der Kirche der gewaltig aufblühenden Berg-
stadt Annaberg die in Süddeutsdiland bereits heimischen Formen der italienischen
Hochrenaissance auch im Norden aufzunehmen. In dem Georgenbau des Dresd-
ner Schlosses fand dann zu Anfang der dreißiger Jahre die neue Bauweise, die
einen Bruch mit der gotischen Überlieferung des Mittelalters bildete, ihre end-
gültige Ausbildung, die bis zum Aufkommen des Barock im 17 Jahrhundert die
Herrschaft behielt.
Die italienische Renaissance war gegen Ende des ersten Viertels des 15 Jahr-
hunderts in Florenz durch Brunellesco, Donatello und Masaccio, die die Antike
in Rom kennen gelernt hatten, ausgebildet worden und hatte das seit den Römer-
zeiten nie völlig abgebrochne Fortleben der antiken Kunst in Italien zu einem
neuen reichen, dem gesteigerten Machtbewußtsein entsprechenden Ausdruck ge-
bracht gegenüber den fremden Einflüssen der byzantinischen, arabischen und
gotischen Kunst. Wie die Antike in den Malereien der ältesten Kirchen auf dem
römischen Forum fortgelebt hatte, so war sie zur Zeit Kaiser Friedrich II zu
neuer Blüte erstanden und hatte in der von Apulien nach Pisa verpflanzten Schule
weitergewirkt, bis die Bestrebungen der Cimabue, Cavallini, Giotto sowie der
Bildhauer Andrea und Giovanni Pisano sie durch den Sieg überdas erstarrte byzan-
tinische Griechentum zur Selbständigkeit erhoben, auf deren Grund hundert Jahre
später die eigentliche Wiedergeburt aufkommen und, getragen von dem unter
dem Zeichen Platos gegen die aristotelische Scholastik kämpfenden Humanismus,
befruditet durch den Naturalismus der flämischen Malerei der van Eycks, sich
zur Hochrenaissance entwidceln konnte, die während ihrer kurzen Dauer unter
bewußter Anlehnung an die Formen der Antike die Darstellungsmittel der Kunst
zu voller Entfaltung brachte und in raschem Siegeslauf auch im übrigen Europa
die Herrschaft gewann.
Nach Süddeutschland gelangte die Renaissance zu Anfang des 16 Jahr-
hunderts. Dürer hatte sie bereits in den neunziger Jahren in Venedig kennen ge-
lernt und zwar in der Gestalt die ihr Mantegna gegeben hatte. Doch wirkte diese
fremde Kunstweise erst bei seinem zweiten venezianischen Aufenthalt auf ihn
ein, als er den greisen Bellini, einen Schüler Mantegnas, persönlich kennen lernte.
Etwa gleichzeitig lernte auch der augsburger Meister Burgmair diese Formen^
spräche kennen,- seinem Einfluß wird es zu verdanken sein daß 1512 die Fugger-
kapelle der Annenkirche zu Augsburg als erstes Werk der Renaissance in Deutsch^
land errichtet werden konnte. Von dort wurde bald darauf diese Kunstweise
nach dem Erzgebirge verpflanzt.
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Richtung auf Einheitlichkeit und Großräumigkeit bis zu dem Zeitpunkt ent-
wickelt, wo sie um 1515 reif war in der Kirche der gewaltig aufblühenden Berg-
stadt Annaberg die in Süddeutsdiland bereits heimischen Formen der italienischen
Hochrenaissance auch im Norden aufzunehmen. In dem Georgenbau des Dresd-
ner Schlosses fand dann zu Anfang der dreißiger Jahre die neue Bauweise, die
einen Bruch mit der gotischen Überlieferung des Mittelalters bildete, ihre end-
gültige Ausbildung, die bis zum Aufkommen des Barock im 17 Jahrhundert die
Herrschaft behielt.
Die italienische Renaissance war gegen Ende des ersten Viertels des 15 Jahr-
hunderts in Florenz durch Brunellesco, Donatello und Masaccio, die die Antike
in Rom kennen gelernt hatten, ausgebildet worden und hatte das seit den Römer-
zeiten nie völlig abgebrochne Fortleben der antiken Kunst in Italien zu einem
neuen reichen, dem gesteigerten Machtbewußtsein entsprechenden Ausdruck ge-
bracht gegenüber den fremden Einflüssen der byzantinischen, arabischen und
gotischen Kunst. Wie die Antike in den Malereien der ältesten Kirchen auf dem
römischen Forum fortgelebt hatte, so war sie zur Zeit Kaiser Friedrich II zu
neuer Blüte erstanden und hatte in der von Apulien nach Pisa verpflanzten Schule
weitergewirkt, bis die Bestrebungen der Cimabue, Cavallini, Giotto sowie der
Bildhauer Andrea und Giovanni Pisano sie durch den Sieg überdas erstarrte byzan-
tinische Griechentum zur Selbständigkeit erhoben, auf deren Grund hundert Jahre
später die eigentliche Wiedergeburt aufkommen und, getragen von dem unter
dem Zeichen Platos gegen die aristotelische Scholastik kämpfenden Humanismus,
befruditet durch den Naturalismus der flämischen Malerei der van Eycks, sich
zur Hochrenaissance entwidceln konnte, die während ihrer kurzen Dauer unter
bewußter Anlehnung an die Formen der Antike die Darstellungsmittel der Kunst
zu voller Entfaltung brachte und in raschem Siegeslauf auch im übrigen Europa
die Herrschaft gewann.
Nach Süddeutschland gelangte die Renaissance zu Anfang des 16 Jahr-
hunderts. Dürer hatte sie bereits in den neunziger Jahren in Venedig kennen ge-
lernt und zwar in der Gestalt die ihr Mantegna gegeben hatte. Doch wirkte diese
fremde Kunstweise erst bei seinem zweiten venezianischen Aufenthalt auf ihn
ein, als er den greisen Bellini, einen Schüler Mantegnas, persönlich kennen lernte.
Etwa gleichzeitig lernte auch der augsburger Meister Burgmair diese Formen^
spräche kennen,- seinem Einfluß wird es zu verdanken sein daß 1512 die Fugger-
kapelle der Annenkirche zu Augsburg als erstes Werk der Renaissance in Deutsch^
land errichtet werden konnte. Von dort wurde bald darauf diese Kunstweise
nach dem Erzgebirge verpflanzt.
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