Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Seidlitz, Woldemar
Die Kunst in Dresden vom Mittelalter bis zur Neuzeit (Buch 1 - 3): 1464 - 1625 — Dresden, 1921

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43932#0387
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ANLAGEN
10. ZUR WESENSART DES HERZOGS MORITZ
Daniel Schirmer, Floßschreiber zu Kosen, äußerte 1547 über Moritz, er sei »eine längliche
hagere Person und blitzender Augen« (Voigt (s. weiter) S. 105).
König Ferdinand hebt seine »heiße cholerische Natur« hervor. Das Urteil über seine Leicht-
fertigkeit stammt aus Ratzebergers Geschichte über Luther und seine Zeit (1850 von Neudecker
in Jena herausgegeben), wo es S. 111 heißt: er ging »auf seinem eignen Zaume, war frech und
mutig und hatte niemand der ihm einreden durfte«. Das bestätigt auch Georg von Carlowitz durch
seinen Ausspruch: »wo er seinen Kopf hinstrecke, da ist er nicht wohl zu wenden«/ von demselben
aus dem Jahr 1543 stammt auch die Äußerung über seine Fürstlichkeit und Mannhaftigkeit. Die
Worte über seine Ausdrucksweise stehen in Georg Voigt (Mor. v. S. in den Anfängen seiner
Laufbahn, im Archiv N. F, 1 (1875) S. 97fgg.) S. 105. Thuanus bezeichnet ihn bereits als einen
Dissimulandi mirus artifex, dem Ranke (in seiner Deutschen Geschichte im Zeitalter der Reform
mation V4 (1869) S. 170) mit den Worten voll beistimmt: »einen größeren Meister in der Ver-
stellung hat es wohl kaum gegeben als Moritz war«. Derselbe faßt (ebendort S. 161 fg.) sein Urteil
über ihn folgendermaßen zusammen: hinter seinem leichtfertigen Wesen barg sich ein tiefer Ernst.
»Der männliche Mut, den er vor dem Feind bewies und der ihm früh einen Namen machte, zeigte
zuerst daß er kein gewöhnlicher Mensch war. Dann aber müßte man ihn in seinem Lande beob-
achten, wie er das ganze Regirungswesen umbildet . . . wie er ferner das System der Schulen
gründet, das diesem Lande eine so eigentümliche alle Klassen durchdringende Kultur verschafft
hat. Er zeigt eine sehr bemerkenswerte Gabe sowohl für das Ergreifen politischer Gedanken als
für ihre Ausführung . . . Die religiöse Richtung seines Jahrhunderts hatte auf ihn weniger beherr-
schenden Einfluß als vielleicht auf irgend einen anderen fürstlichen Zeitgenossen . . . Allgemeine
große Ideen von weltgestaltendem Inhalt finde ich nicht in ihm: desto schärfer aber faßte er das
Naheliegende, bringe es nun Gefahr oder Vorteil, ins Auge,- unaufhörlich arbeitet seine Seele an
geheimen Plänen . . , Niemals hat er große Eile: ein paar Monate mehr kümmern ihn wenig wenn
die Sache nur gründlida vorbereitet wird und verborgen bleibt«.
Diesem ruhigen Urteil gegenüber mögen die Worte hier stehen, die Treitschke (Briefe
Bd. 3, Teil I, S. 288) am 29 September 1870 von Heidelberg aus an Wilh. Maurenbrecher schrieb
(und in seiner Deutschen Geschichte 3, 489 im wesentlichen wiederholte), da sie eine Seite von
Moritz' Politik, nämlich die Erhaltung seiner eignen Herrschaft, nicht ohne Grund besonders be-
tonen: »Ich meine man soll Moritz' politische Moral nach den Ideen des 16 Jahrhunderts beur-
teilen. Wer heute in einer weltlichen Epoche kirchliche Dinge lediglich als Mittel für politische
Zwecke behandelt, kann ein makelloser Charakter sein/ wer in Luthers Tagen dasselbe tat, wat
frivol. Was mich an dem Manne empört ist weniger der zweite als der erste Verrat (der Kampf
gegen seinen Vetter den Kurfürsten Johann Friedrich) — dieser Abfall von allen großen Ideen
der Zeit. Ich finde in Moritz' Leben keine Spur eines großen politischen Gedankens,- er war ein
deutscher Kleinfürst wie die andern auch, nur kühner, schlauer, rücksichtsloser, sein Blick haftete
auch nur an seinem Hause, an Deutschland hat er nie gedacht. Um ein angesehener Kleinfürst zu
werden verriet er seinen Glauben, und um seine Hausmacht vor den Spaniern zu retten verriet er
(1552) den Kaiser«.

Kunst in Dresden I.

255

24
 
Annotationen