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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 15.1915/​1916

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Schneider, Otto Albert: Kunst und Politik
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Koldemanz, G.: Gabriel von Max
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https://doi.org/10.11588/diglit.57056#0147

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XV, heft u.

Die Werkstatt der Kunst.

143

merkwürdig gesunde Verse, Verse mit menschlich ver-
ständlichem Inhalt. Oer problematische Wedekind
machte sich an Bismarck heran, der ihm Stoff zu
Theaterszenen gab (vergl. die Zeitschrift „Oie Propy-
läen", München), Thomas Mann, einer der
kühlsten Skeptiker der neuen Literatur, ganz und gar
antinational in seiner Veranlagung, schrieb eine Dar-
stellung „Zriedrich II. und die große Koalition", die
des großen Königs Wesen zu zeichnen unternimmt,
freilich in einer Art, die dem deutschen Volke kaum
verständlich sein wird.
versuche, aber sie beweisen doch, wie auch dem
Artisten langsam die Welt nahe kommt, wie das
gewaltige Geschehen die Geister zur Besinnung
bringen will, wir wollen nicht mißverstanden werden:
der politische, der nationale Stoff macht noch nicht
den deutschen, den großen Dichter, wenn nicht eine
Meisterhand sich seiner annimmt. Nur zu oft
— und auch in diesem Kriege erleben wir es schau-
dernd — bedienen sich mittelmäßige Begabungen und
Stümper der national geschminkten Phrase, um
billige Anerkennung in der breiten Masse zu finden.
Nicht sie zu vermehren, im Gegenteil sie aus der Gunst
so mancher zu verdrängen, die ihnen in die Arme
getrieben werden auf der Flucht vor jenem leeren
und fremden Artistentum, sollten aus dem Geiste
dieser großen Zeit endlich die Künstler erstehen, denen
das politische Leben ebenso eine Vuelle tiefen Er-
lebens ist, wie irgendwelche verzwickte erotische oder
andere psychologische Probleme. Oie nicht suchen in
öder Sensationsgier, wie sie aus fremden Quellen

„interessante" Gestalten und Geschehnisse schöpfen
können, denen das eigene Volkstum in seinem Wesen
und Werden in Geschichte und Sage, in Vergangenheit
und Gegenwart Anregung zu starkem und in edelstem
Sinne volkstümlichen Schaffen gibt, wir besitzen
schon heute solche Künstler, aber sie werden von der
Klique der Ästheten, die schon wieder ihr Treiben
beginnt, niedergehalten, weil ein großer Teil der
öffentlichen Meinung, namentlich von Berlin aus
im Sinne jener Herrschaften orientiert wird.
Und der Erfolg solcher Bestrebungen, die Kunst
zu internationalisieren, ihr mit den charaktervollen
Inhalten, die als ästhetisch gefährlich hingestellt
werden, die nationale Note zu nehmen, beweist
wiederum, wie schädlich der Mangel an politischer
Erfahrung den Künstlern wird. Selbst starke Be-
gabungen lassen sich im Innersten irre machen durch
die unheimlich geschickten Propagandisten der ar-
tistischen Internationale, lassen sich hineinziehen in den
allgemeinen Niedergang, weil sie nicht die Zähigkeit
haben, auch ihrerseits eine kluge und starke Kunst-
politik zu treiben, wie sie nur der organisieren kann,
der sich mit der Staatspolitik ernst und eifrig befaßt
hat. Es ist eben ein Unding, die Kunst dem Leben, und
ein wesentlicher Teil des Lebens ist von politischen
Dingen bestimmt, zu entfremden. Gewiß, sie soll uns
hinausführen über das wirkliche, soll uns befreien
von seiner Enge und Kleinlichkeit, aber sie kann doch
nur wachsen und sich zu schöner Blüte entfalten, wenn
sie vielfältig wurzelt in dem reichen Boden dieses
Lebens.

Gabriel von Max
von G. Roldeman

Der im Alter von 75 Jahren am 2H. Novem-
ber in München verstorbene Maler Professor Ga-
briel von Max, mit dem der letzte Erzähler der
Münchener Malerei des Jahrhunderts dahin-
geschieden ist, war seit Ende der sechziger Jahre ein
weltbekannter Künstler, der früh Ruhm und An-
erkennung erntete, und gleichzeitig eine der eigen-
artigsten und bizarrsten Begabungen der pilotyschule.
Er huldigte in vielen von seinen Gemälden dem
Ueberfinnlichen sowie einem verzückten Mystizismus
und war von der tiefen Sehnsucht nach den geheim-
nisvollen Dingen des Jenseits erfüllt. Seine Kunst
hatte oft etwas Zwiespältiges. Zn seinen besten
Schaffensjahren war er ein starker Könner von ma-
lerischer Qualität, um dann in den späteren Lebens-
jahren in seinen sentimentalen und etwas weichlichen
Frauenköpfen Arbeiten zu schaffen, die trotz übler
Zeiteinflüsse doch eine eigene, meist schmerzbewegte
Note hatten, wenn man aus seinem reichen Lebens-
werk auch viel mißglückte Schöpfungen ausscheiden
muß, so werden doch manche seiner Arbeiten auch
nach seinem Tode künstlerische Wertung finden. Es
war ihm gegeben, sein tiefstes seelisches Empfinden
in seinen Bilderschöpfungen auszudrücken. Er war

1-.
Z.
ein leidenschaftlicher Musiker, der in Beethoven das
Höchste sah, anthropologische Studien trieb und den
Forscher, Denker und Bildner in sich zu vereinen
suchte. Von der Darstellung des Glaubenswunders
kam er als Maler der Hypnose und des Somnam-
bulismus durch seine spiritistischen Neigungen zur
Darstellung vierdimensionaler Schöpsungen. Dieser
Hang zum Transzendentalen fand in der „Geister-
hand" den bezwingendsten Ausdruck, er gab darin
ein Mädchen am Klavier, das eine Geisterhand an
der Schulter berührt. Mit Unrecht hat man sicher
dem Maler den Hang zum Sensationellen vorgewor-
fen. Er schuf die merkwürdigen Ausgeburten seiner
starken Phantasie einem inneren Zwange folgend.
Trotzdem seine Bilder zum Tagesgespräch wurden
und auf die breite Masse des Publikums wirkten,
war er selbst ein Einsamer, der die Berührung mit
der großen Welt mied. Dieser Abscheu des einsamen
Denkers und Träumers vor den Menschen fand in
seinen genialen Affenbildern überzeugenden Ausdruck.
Unsern tierhaften Ursprung suchte er in dem Ernst
Haeckel gewidmeten „kbilecantbropus alalus" zu be-
weisen, in dem er eine menschenähnliche Affenfamilie
mit starkem anthropologischem Verständnis malte.
 
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