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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 15.1915/​1916

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Zoff, Otto: Die Angst um die Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.57056#0411

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XV, Heft 31.

Die Werkstatt der Runst.

§07

so kann man die stets wieder vorgebrachte Beschimp-
fung des Jahrzehntes 1870—1880 mit Recht ab-
lehnen. Gebe Gott, daß uns jetzt wieder eine solche
Runst komme und wir dürften es fürwahr zu-
frieden sein.
Nun hat aber die ganze Geschichte doch einen
haken. Denn —: wenn wir nun, nach Rufzählung
aller bedeutenden Produktionen, zur Erkenntnis ge-
langt sind, daß die Jahre nach 1870 das Gegenteil
eines künstlerischen Niederganges waren, — wie ist
es dann zu erklären, daß sie uns trotzdem immer als
ein solcher erschienen sind? Ivie ist es zu erklären,
daß wir diese Epoche höchster deutscher Runst irgend-
wie mit der Herrschaft der ärgsten Ritschiers ver-
bunden haben? woran mag es liegen, daß Frucht-
barkeit als Sterilität, Verdienst als Trägheit, höhe
als Ebene benannt wird?
Oer Grund liegt hier einfacher, als man glaubt,
wer sich an diesem Jahrzehnt versündigt hat, das
war keineswegs die Runst. Aber das waren die so-
genannten Runstfreunde. Denn wir dürfen ja nicht
vergessen, daß damals zwar Gottfried Reller, Vischer,
Nietzsche, Leibl und Liebermann gelebt haben, daß
aber das große Deutschland ihrer Existenz nur wenig
Beachtung schenkte. Und so kommt es, daß wir in
der Rückschau auf diese Epoche nur eine Überfülle
von ärgster Schundware zu sehen vermeinen. Denn
diese war dem Geschmacke der durch den Rrieg
hinaufgekommenen Rreise nicht nur die weitaus be-
vorzugte „Runst", sondern die einzige Runst über-
haupt. Vas parvenuentum dieser Jahre, mächtig
und ausgebreitet, bezahlte alles glänzend, wenn es
nur Talmi war. Und so kommt es, daß wir in den

Salons dieser Generation Defregger anstatt Leibl,
Union v. Werner anstatt Menzel, Grützner anstatt
Liebermann finden. Dieser selbe Liebermann mußte
damals seine „Ronservenmacherinnen" in Antwerpen
ausstellen (wo sie nicht nur verkauft, sondern auch
mehrfach nachbestellt wurden), dieser selbe Lieber-
mann mußte 1873 nach Paris übersiedeln, weil ihm
der gehässigste Lhauvinismus der Franzosen noch
ertragbarer schien als das grenzenlose Unverständnis
seiner Landsleute. Für Leibls „Dachauerinnen" fand
man 1875 nichts anderes als Befremdung über diese
„unbegreifliche Vorliebe für häßliche Bäuerinnen",
und sie blieben ebenso unverkauft als unbeachtet in
der Fleischmannschen Runsthandlung in München,
bis sie Munkacsg gegen ein eigenes Bild umtauschte.
Oder soll man wirklich erst daran erinnern müssen,
wie dieselbe Generation mit Böcklin, mit Marses,
mit Feuerbach, oder wie sie mit Nietzsche und Anzen-
gruber verfuhr?
Nein, um die Runst nachMem Rriege braucht
niemandem bange sein, und die Runst nach 1870
braucht niemand über die Achsel anzuschaun. (Man
möge lieber gar keine vergleiche zwischen 1870 und
1913 ziehen!) was Angst machen kann, das sind
die Leute, welche die Runst, die uns nun kommen
soll, wieder zu fördern haben werden. An ihnen
liegt es, anstatt eines Rulturverfalles einen Aufstieg
zu schaffen. Oie Rünstler, —die werden schon hier
sein. Gb die andern hier sein werden —: das muß
unsre Sorge sein. Darum handelt es sich. Denn für die
Rultur eines Volkes genügt es nicht, die Genies nur zu
besitzen. Es muß auch wissen, daß es sie besitzt.

Umlekaa.

Ludwig Manzels Hindenburgstatuette. Als
Geschenk des engeren Stabes des Hauptquartiers Vst ist dem
Generalfeldmarschall von Hindenburg zu seinem Militär-
jubiläum eine Bildnisstatuette von der Hand Prof. Ludwig
Manzels, des Berliner Meisters, überreicht worden. Das
Werk ist im Hauptquartier selbst entstanden. Der Feldherr
hat dem Rünstler mehrere Sitzungen dafür gewährt, und
gleichzeitig entstand auch eine Bildnisbüste Hindenburgs
von der Hand Manzels. Die Statuette, die in Bronze
ausgeführt und etwa so Zentimeter groß ist, steht auf
einem Steinsockel. Sie zeigt Hindenburg in einfacher aber
wuchtiger Form, so wie er im Leben zu stehen pflegt, straff
aufgerichtet, breitbeinig, den Ropf etwas zur Seite. Die
eine Hand hält den Marschaüstab, die andere stützt sich
auf den Degen.

Eine Stiftung eigener Bilder. Der Karlsruher
Maler prost Max Lieber hat den Entschluß gefaßt, seine
sämtlichen Bilder, soweit sie noch in seinem Besitze find,
ferner aber alle, die er noch zu schaffen gedenkt, der Renten-
nnd penfionsanstalt für deutsche bildende Rünstler in Weimar

zu widmen, der der Erlös dieser Bilder schon jetzt zufließen
soll.

Eine künstlerische Widmung zum Hindenburg-
Jubiläum. Dem Generalfeldmarschall von Hindenburg
widmete der Ausschuß für fahrende Feldbüchereien aus
Anlaß seines so jährigen Militärjubiläums eine künstlerisch
ausgeführte Adresse. Sie ist eine Arbeit von Prost Emil
Doepler d. I.

Aus unserem Leserkreise geht uns nachstehende mit
Recht ironisierte Notiz zu:
3um Kapitel „Erziehung zur Kunst in derSchule".
Um das Andenken zweier Gefallener zu ehren, läßt
eine Mädchenschule in Berlin (die Elisabethschule) folgende
„poetische Idee" malen: Zwischen den beiden Porträts ist
ein eisernes Rreuz angebracht, der Hintergrund wird mit
marschierenden Truppen und brennenden Dörfern ungefüllt!
Wie schön muß das sein und welchem Ropf mag wohl
dieser künstlerische Gedanke entsprungen sein?
 
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