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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 15.1915/​1916

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Zoff, Otto: Albrecht Dürer als Kriegstechniker
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Die Besteuerung von Kunsterwerbungen und der Reichstagsausschuß
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https://doi.org/10.11588/diglit.57056#0395

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XV, heft 30.

Die Werkstatt der Aunst.

Vie velleuerung von Nunvervaerbungen unci cler keickslagsausscknrk.

Oer Reichstagsausschuß, der das Rriegssteuer-
gesetz durchberiet, hat die Erwartungen der deutschen
Rünstlerschaft schwer enttäuscht. Oie Sachlage ist
folgende: Ursprünglich war beabsichtigt, jeden, der
Kunstwerke im Werte von zusammen 1000 Mk. er-
wirbt, mit dem Rausbetrage zur Vermögenssteuer
heranzuziehen. Auf die begründeten Bitten der
Rünstlerschaft aber beschloß dann der Bundesrat
folgenden Zusatz zu dem betreffenden Paragraphen 5:
„Oie Vorschrift findet keine Unwendung auf den
Erwerb von Runstwerken lebender oder seit dem
1. Januar 1910 verstorbener deutscher Rünstler sowie
im Deutschen Reiche wohnender Rünstler." Dieser
Zusatz ist jetzt vom Reichstagsausschuß abgelehnt
worden. Was die Ausschußmitglieder bewogen hat,
jenen Zusatz zu streichen, erscheint nicht verständlich,
vielleicht ist ihnen der Gesamtbetrag als zu unwesent-
lich erschienen, als daß er die Betroffenen gar zu sehr

belasten würde. Soweit das die Erwerber von Runst-
werken betrifft, mag das gelten. Für die Rünstler
aber bedeutet es einen vernichtenden Schlag, denn
diese Steuer muß notgedrungen die Wirkung haben,
daß sie die Rünstler in höchstem Maße in ihren Lebens-
bedingungen beeinträchtigt. Das ist in den Eingaben
der deutschen Rünstlerverbände unwiderleglich be-
gründet worden. Doch ist noch nicht alle Hoffnung
verloren. Denn es dürfte wohl anzunehmen sein,
daß die zweite Lesung des Gesetzes, die im Mai statt-
findet, dem Vorschlag des Bundesrates, mit dem die
Rünstler so sehr zufrieden sein konnten und auch zu-
frieden waren, doch zur Annahme verhelfen wird,
hat doch der Reichsschatzsekretär in seiner Antwort
auf die Eingabe der Rünstlerverbände ausdrücklich
betont, daß mit der Steuer die Runst und die Rünstler
nicht getroffen werden sollen.

Mbreekt Dürer als Rriegsteckniker
von Gtto Zoff.

Setzte man von einem gebildeten Deutschen voraus,
daß er von der kriegswissenschaftlichen Tätigkeit
Lionardos da Vinci noch nichts vernommen, so könnte
man ihn möglicherweise befremden. Rian kennt die
Louvre-Zeichnungen, und man kennt jene oft repro-
duzierte Skizze, die einen Versuch, Geschütze aus Eisen-
stangen zusammenzuschweißen, bildl'ch darstellt. Man
hat zu wiederholten Malen gelesen, daß der große
Meister die Angriffs- und Verteidigungsmittel aller
Völker, daß er die Rriegskunst der Aggpter, Äthiopier,
Assgrer, Araber und Spanier studiert, daß er bei
Herzog Lodovico die Leitung der Festungsbauten ge-
führt, — kurz: Lionardo als Rriegswissenschaftler
ist seit langem nicht mehr unbekannt.
Wer aber weiß davon, daß auch unser Albrecht
Dürer Rriegstechniker, ja, daß er einer der größten
Festungsbauer aller Zeiten gewesen Selbst die leiden-
schaftlichsten Verehrer seiner Bildkunst, selbst die
eifrigsten Sammler seiner Graphik, ja selbst die
wenigen, die seine Briefe und Tagebücher gelesen,
wissen von seiner Beschäftigung mit den Rünsten des
Rrieges nichts. Obwohl sich sein Werk immer tiefer
in die deutsche Volksseele einwurzelt, der Mensch steht
fern und fremd wie jemals zuvor. Wie wir ihn zu
sehen gewohnt sind, beschaulich ein Nürnberger Bürger-
dasein lebend, eingesperrt in künstlerische Besessenheit,
bedrängt und entzündet von religiösen Problemen,
erscheint er in seinem ganzen Charakter allen kriege-
rischen Dingen gegenüber eher abgeneigt, zumindest
gleichgültig.
Seine Arbeit „Etliche underricht zu befestigung
der Statt Schlosz und Fleken" erschien zu Nürnberg
im Jahre 1527. Sie war in jeder Beziehung ein
Ruriosum. Ein Ruriosum schon deshalb, weil ihr
Verfasser weder jemals Rriegsmann noch Ingenieur,

noch Architekt^gewesen: sie ist also das Werk eines
Autodidakten. Und in zweiter Linie ein Ruriosum,
weil sie das erste kriegstechnische Werk seit dem Alter-
tum war. Denn wie energisch auch Lionardo allen
Problemen der Rriegskunst nachging —: seine Arbeit
blieb doch Stückwerk, Gelegenheitsbeschäftigung, oft
reinster Zufall. Und niemals resultierte aus ihr eine
systematische, zusammenfassend wissenschaftliche Aus-
einandersetzung. Und ebenso hatte während des
ganzen Mittelalters es niemand für nötig befunden,
ein methodisches Rompendium oder auch nur eine
Folge von Vorschriften festzulegen. Durch Jahrhun-
derte ging man über den Standpunkt der Römer nicht
hinaus; man studierte die Schriften der Antike, man
gab das Lehrbuch des Klavius vegetius Renatus,
eines Römers aus dem 4. Jahrhundert, stets aufs
neue heraus.
So hatte das Buch von Albrecht Dürer keinen
Vorgänger. Es entstand aus keiner Entwickelung, es
schuf erst eine. Es war das erste Rriegsbuch, das den
neuen Anforderungen der Zeit Rechnung trug. Denn
mit der Erfindung des Schießpulvers war das Sgstem
der Antike zusammengebrochen, keine Brücke führte
von Vergangenheit zu Gegenwart, und so darf man
wahrhaftig sagen, daß die Arbeit aus der aktuellen
Not entstand. Sie war revolutionär. Sie wies nach,
daß das bisherige Prinzip, Festungen bloß mit allen
Mitteln der Verteidigung auszustatten, unzulänglich
geworden, weil die Angriffswaffen alles bisher ge-
kannte Maß überstiegen hatten. Und sie warf die
Frage auf: welches neue Mittel muß angewandt werden,
um den Fortschritt' der Angriffstaktik wieder wettzu-
machen?
Seine Antwort und ihre Ausführung bilden das
Buch. Weil die bloße Verteidigung - und sei sie
 
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