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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 15.1915/​1916

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Engelbrecht, Kurt: Kunst und Bildungsziele
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Corwegh, Robert: Deutsche Künstlerleben in Rom um 1800
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https://doi.org/10.11588/diglit.57056#0317

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XV, Heft 24.

Die Werkstatt der Runst.

3^3

Schüler schlagen aller schulmeisterlichen Schwarz-
seherei oft genug ein Schnippchen und werden ganze
Persönlichkeiten, denen auch Macht und Einfluß zu
erwerben oft überraschend gut gelingt.
So hat denn auch die Epoche der neuesten Zeit,
die sich mehr und mehr zu einer Epoche der Maschine
und der exakten Wissenschaft entwickelte, nichts an
dem alten, höchsten Bildungsziel geändert, das in
den Begriffen Lharakter und Persönlichkeit zum Aus-
druck kommt. Za, die jüngste Gegenwart, die uns den
Wert der Persönlichkeit in einigen ganz überragenden
Gestalten wieder richtig einschätzen, und die Bedeu-
tung einer möglichst ernsten und frühen Eharakter-
bildung erkennen lehrte, hat das alte Bildungsideal
neu und kräftig unterstrichen.

Kür eine Vertiefung unserer künstlerischen Kultur
aber können wir uns kein besser passendes, kein
kräftiger förderndes Bildungsziel setzen. Vie ge-
schlossene, harmonisch durchgebildete Persönlichkeit,
auch wenn sie selber künstlerischen Bestrebungen gänz-
lich fremd gegenübersteht, ist an sich schon als Ge-
staltung, als Form des Menschseins ein künstlerischer
Anblick, der den Schaffenden zum Gestalten, zum
Ausdruckgeben anregt. Nicht mit Unrecht nimmt
Porträtkunst einen ersten Platz im Bereiche künst-
lerischen Betätigens ein, und in Zeiten deutschen
Niederganges künstlerischer Kultur bietet die Porträt-
malerei oft die einzig erfreulichen und bleibend
wertigen Erscheinungen.

Oeullcker RünMerleben in Rom «m 1800.
von vr. Robert Eorwegh.

Teil II.
Gegenüber der allgemeinen Not will es nichts
besagen, daß zur Instandsetzung des Huirinals, an-
läßlich des angekündigten Besuchs Napoleons, der
Architekt Raffael Stern, der die Ausgrabungen in
Tuskulum für Lucian Bonaparte geleitet hatte, und
der Kunsttischler Roos Beschäftigung fanden. Thor-
waldsen, den wir nach seinem Verkehr zu den Deutschen
rechnen dürfen, entwarf gleichfalls zu dieser Gelegen-
heit seinen Alexanderzug im Atelier im vicolo della
Latena, das noch heute am darüberbefindlichen Bar-
bariniwappen kenntlich ist. Dennoch muß als all-
gemeine Stimmung tiefe Niedergeschlagenheit ge-
herrscht haben. Ein Zeichen dafür ist der Fortgang
des für Italien begeisterten Tgrolers Koch von Rom.
Er, der als Jüngling mit den Jakobinern in Straß-
burg fraternisiert hatte, wollte von dem jetzigen
Regime der Franzosen nichts wissen. Erst 1815 kehrte
er für immer zurück. Fast gleichzeitig mit Kochs
Abreise fällt der Tod des liebenswürdigen Gottl.
Schick, dessen Gemälde der humboldttöchter den Sänger
der kommenden Freiheitskriege, Theodor Körner, be-
geistern sollte:
„Schönes Bild, das mir so teuer worden,
Seh' ich dich, ruft stiller Ahnung Walten
Aus den wunderlieblichen Gestalten
Mir in süßen, himmlischen Akkorden."
So traf die Nachricht von den großen Ereignissen,
die das Jahr 1813 brachte, nur noch wenige Deutsche
in Rom, und unter den Anwesenden scheint nicht die
alte Harmonie geherrscht zu haben. Der sächsische
Kunstfreund v. Tuandt bedauerte 1813 die Uneinig-
keit der Künstler, von denen jeder auf sich selbst oder
einen kleinen Kreis Gleichgesinnter angewiesen sei.
Vie vielen Übertritte zum Katholizismus hatten be-
gonnen. Zacharias Werner führte das große Wort,
„bekreuzigte sich über alles und erzählte katholische
Wundergeschichten". Dverbeck war zwar mit einigen
seiner Freunde, u. a. Johann Veit, vom Kloster

5. Isidoro nach dem Palazzo Guarnieri übergesiedelt,
allein „Klosterbrüder" blieben die meisten, und ihre
Gedanken und inneren Bedenken ließen sie die Vor-
gänge draußen vergessen. Auch Eornelius, der größte
des Kreises, der ihnen anfangs in via Porta pinciana
gegenüberwohnte, aber ihrer Frömmelei ganz fern-
stand, war mit künstlerischen Plänen zu sehr beschäf-
tigt, um ersichtlich Anteil an den Vorgängen in der
Heimat zu nehmen, vielleicht war der Leipziger
Ernst Platner, der spätere diplomatische Vertreter
Sachsens, mehr interessiert. Zu den Künstlern ist er
jedoch nicht zu rechnen. Das im wahren Sinne des
Wortes vernichtende Urteil des Eornelius über einen
seiner Kartons, indem er durch ihn hindurchschritt,
hatte platner veranlaßt, die Malerei aufzugeben.
Kaisermann, den Koch in seiner „Rumfordischen
Suppe" als den Maler ,,pleiri clu seutinront" brand-
markt, dürfte wenig bedeutet haben, und auch für
Franz Latel und den Bildhauer und Aginätenentdecker
I. M. Wagner begann erst die Zeit ihres Einflusses
und Ansehens mit dem Erscheinen Ludwigs von
Bagern. Ihm dankt Wagner den Auftrag für die
Löwenquadriga auf dem Siegestor in München, wo
er, wie böse römische Zungen behaupteten, in den
grimmigen Löwen das eigene Spiegelbild gebildet
hatte.
Ebenso spielt Feller, mit Eornelius 1811 nach
Rom gekommen, keine Rolle. Oie „Klatschecke" am
Lafs della Nocchi, von der später Luise Seidler zu
erzählen weiß, wurde damals schon von Veit, dem
Landschafter Rohden und dem Kupferstecher Rusche-
wegh benutzt, aber ohne die Geltung, wie in kommen-
den Zeiten.
Dennoch sollten die Wellen der großen Zeit-
ereignisse bis zu den stillen Künstlerwinkeln branden.
Rauch war im Sommer 1813, wie uns Friedrich Noack
in seinem vorzüglichen Buch „Deutsches Leben in
Rom" erzählt, nach Rom zurückgekehrt, um das Denk-
mal der Königin Luise zu vollenden. Diese Tätigkeit
in seinem Atelier, dessen Erben die Söhne Gottfried
 
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