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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 15.1915/​1916

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Pannwitz, Eberhard von: Besteuerung des Kunstbesitzes?
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https://doi.org/10.11588/diglit.57056#0319

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XV, heft 24.

Die Werkstatt der Kunst.

31s5

So befinden sich beispielsweise in der Easa Martelli
in Florenz noch heute drei Skulpturen von vonatello
im werte von je einer Million Mark, von denen nach
langen Verhandlungen endlich eine ausnahmsweise
ins Kurland verkauft werden darf, nachdem die wert-
vollste von allen dem Staat ohne Entschädigung über-
lassen worden ist.
wiederum anders verfährt England. Dort ist der
Kunstbesitz wie alles andere vermögen der Erbschafts-
steuer unterworfen, welche progressiv mit der Größe
des vermögens einerseits, mit der Entferntheit der
Verwandtschaft andererseits anschwillt und zwischen
3 v. h. und 24 v. h. der Erbmasse erfaßt. Dieses in
seiner Anwendung auf den Kunstbesitz im hohen Maße
kulturfeindliche Gesetz, nach welchem unter Umständen
Erben gleichbedeutend mit verarmen ist, hat denn
auch zur Folge gehabt, daß schon jetzt von den in
300jähriger verständnisvoller Sammlertätigkeit er-
worbenen privaten Kunstschätzen Englands ein sehr
großer Teil über den Ozean gewandert ist. Der Rest
wird schnell nach Kriedensschluß folgen, und auch
Frankreich und Rußland werden ihre ungeheuren
privaten Kunstschätze in wilder hast dem hankee in
den Schoß werfen, um einen Bruchteil des Munitions-
geldes zurückzuempfangen. Überhaupt steht der ge-
samte künstlerische Privatbesitz Europas infolge des
Krieges und der furchtbaren durch ihn heraufbe-
schworenen Steuerlasten vor der Auslösung zugunsten
Amerikas, wehe dir, Blüte der Kultur! — Unser
eigenes Vaterland ging in der Besteuerung der Kunst
bisher seinen eigenen bescheidenen weg. Es erhebt
einen Einfuhrzoll, aber nicht wie Amerika nach dem
wert, sondern nach dem Gewicht! Eine Sevresvase
im werte von lOOOOO M. und im Gewicht von einem
Pfund kostet demnach genau so 10 Pfennig Zoll wie
eine Waschschüssel im werte von 3 M., nur ist das
Risiko der Beschädigung bei den Manipulationen der
Zollbehörden ein ungleich größeres. Gemälde sind
zurzeit bei uns gänzlich zollfrei, selbst wenn sie im
Rahmen ankommen, wird aber der Rahmen ge-
sondert verschickt, so ist er zollpflichtig. Auch sonst
gibt es der ergötzlichen Zollkuriosa genug. Vas soll
nun alles anders werden. Venn bei der großen Masse
ist zurzeit jede neue Steuer beliebt, die man nicht
selbst zu zahlen hat Und da Deutschland die bildende
Kunst und ihre pflege noch immer ein überaus zartes
Treibhauspflänzchen ist, an dessen Gedeihen vor-
sichtig gerechnet mindestens 90 v. h. der Bevölkerung
nur sehr geringen Anteil haben, so ist jeder findige
Finanzminister, der dies pflänzlein knicken und auf
dem Altar des Vaterlandes dörren möchte, des Bei-
falls der Menge von vornherein sicher, hoffentlich
aber werden die Parlamente die Kraft finden, wenn
nötig, auch gegen den Strom zu schwimmen, im
Interesse des Vaterlandes, nicht etwa im Interesse
der Sammler. Die angeregte neue Steuer würde
voraussichtlich in Horm der Vermögenszuwachs-
steuer auftreten, also einen einmaligen Betrag von
etwa 2 v. h. der investierten Kapitalien abwerfen.

Vie 12 größeren Sammlungen Deutschlands im
Einzelwert von mindestens einer Million Mark re-
präsentieren nach sachverständiger Berechnung, welcher
sich, wie ich höre, auch Exzellenz v. Bode angeschlossen
haben soll, einen wert von 25—30 Millionen, wovon
mehr als drei viertel auf Berlin, der Rest auf das
übrige Deutschland entfällt. Oie Hinzurechnung der
Bestände der kleineren Sammler würde diesen
Betrag allenfalls um weitere 5000000 erhöhen, so
daß das Resultat der neuen kunststeuer, beschränkt
auf die Sammler, einen einmaligen Betrag von
600—700000 M. abwerfen würde. Selbstredend ist
aber der Begriff des Sammlers von dem Besitzer
einiger weniger Kunstobjekte oder selbst eines einzigen
wertvollen Gegenstandes gar nicht klar abzugrenzen.
Auch die Gerechtigkeit würde natürlich erfordern, daß
T., welcher einen einzigen Rembrandt im werte von
400000 M. besitzt, nicht steuerfrei ausgeht, wenn der
ärmere P, der 30 Gemälde im Gesamtwerte von nur
30000 M. sein Eigen nennt, herangezogen wird. Oie
neue Steuer müßte also jedes einzelne Kunst-
objekt im Privatbesitz erfassen und zwar
ganz gleichgültig, ob das Kunstwerk antik
oder modern ist. Venn—wollte man die moderne
Kunst frei lassen: wo endet die antike und wo beginnt
die moderne? Etwa im Iahre 1800 oder 1850 oder
1900? — Soll etwa ein Gemälde von Laurence von
1810 noch als antik gelten, ein Bild der Barbizon-
Schule aber als modern? Und wo endlich ist die Grenze
zwischen Kunst und Kunsthandwerk oder Handwerk
schlechthin zu ziehen? — Man denke beispielsweise
an einen bronzenen Kaminvorsetzer von Sansovino,
der seit dem 16. Jahrhundert nahezu jedes Jahrzehnt
irgendwo bis in die neue Zeit mit oder ohne kleine
Abweichungen nachgegossen worden ist: wann hat
dieses Objekt, dessen wert ja nach der Zeit seiner
Entstehung und nach der Oualität der Ausführung
zwischen einer sechsstelligen Ziffer einerseits und
wenigen hundert Mark andererseits schwankt, auf-
gehört, Kunstobjekt zu sein? Ferner: was sind die
zahllosen Familienbilder von größtenteils unbekannter.
Hand wert, die sich zerstreut in bürgerlichen Häusern
so gut wie in Schlössern vorfinden? wer soll über-
haupt die Einzelwerte der vielen Millionen in den
Haushaltungen zerstreuter Kunstobjekte berechnen, die
Steuerbehörde oder der Besitzer, oder gar eine Kom-
mission von Sachverständigen? würde ein Armee-
korps von Schiedsrichtern genügen, um die einlau-
fenden Reklamationen zu bewältigen? — Diesen
Schwierigkeiten wenigstens ist das englische Gesetz aus
dem Wege gegangen, da bei der Nachlaßregulierung
ohnehin eine Schätzung stattfindet. Das Resultat ist
also folgendes: Entweder man beschränkt sich auf Er-
fassung der wenigen größeren Sammlungen, dann
erscheint das Resultat im vergle-ch zu den Gesamt-
lasten des Krieges gleich Null und das vorgehen im
hohen Maße ungerecht und odiös; oder man sucht
den gesamten im Einzelbesitz verstreuten modernen
und antiken Kunstbesitz zu erfassen, dann ist das zurzeit
 
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