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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 15.1915/​1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.57056#0332

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328 Die Werkstatt der Rrmp. XV, Heft 25.

den einzelnen Gegenstand oder für mehrere gleichartige
oder zusammenhängende Gegenstände eintausend Mark
und darüber beträgt.
An den
Herrn Reichsschatzsekretär
Berlin V/ es,
wilhelmstr. 60/«i.
Euer Exzellenz
geben in der auf unsere Eingabe vom 25. Januar 1916
erteilten Antwort der Auffassung Raum, daß durch die
Heranziehung der Erwerber von Kunstwerken zur Ver-
mögenssteuer die Kunstwerke selbst nicht betroffen werden.
Euer Exzellenz werden aus den folgenden Darlegungen er-
sehen, daß diese Auffassung nicht zutrifft. Es will uns
darum als Pflicht erscheinen, Eure Exzellenz nochmals
dringend auf die großen Gefahren hinzuweisen, die der
deutschen Künstlerschaft durch die Einbeziehung von Kunst-
werken in das Gesetz drohen und Eure Exzellenz zu bitten,
zum mindesten die Werke lebender und jüngst verstorbener
deutscher Künstler aus dem Gesetz auszuscheiden.
Ls mag gewiß berechtigt sein, diejenigen in außer-
ordentlicher Weise zu den Kriegskosten heranzuziehen, die
in dieser schweren Zeit in der Lage sind, Kapital in ent-
behrlichen, toten, jederzeit veräußerbaren Werten anzulegen,
und die Künftlerschaft würde ihre Stimme nicht erheben,
wenn, wie in den Bundesstaaten, auf die Euer Exzellenz
Hinweisen, die Erwerber von Gegenständen jedweder Art
gleichmäßig herangezogen würden. Wenn im tz 5 des Ent-
wurfes eines Kriegsgewinnsteuergesetzes aber bestimmte
Gegenstände herausgegriffen werden, wie Grundstücke,
perlen, Edelsteine und Luxusgegenftände, so dürften Kunst-
werke nicht unter ihnen sein. Denn abgesehen davon, daß
unersetzliche Werke ins Ausland abgeftoßen werden möchten,
werden hierdurch die lebenden deutschen Künstler in einer
Weise in ihren Lebensbedingungen bedroht, die sie auf
das schwerste erschüttern würden.
Jedes Kunstwerk hat einen schöpferischen Urheber zur
Voraussetzung, der nicht nur, und zwar meistens unter den
schwierigsten Verhältnissen, an der Kultur des Volkes mit-
arbeitet, sondern auch einer besonders pfleglichen Behand-
lung bedarf. Deshalb haben sich auch der Staat, die Städte
und die Kunstfreunde mit der gesamten Künstlerschaft zu-
sammengeschloffen, um der durch den Krieg hervorgerufenen,
für die Künstler besonders schweren Lage zu begegnen.
Die Steuer würde dem stracks entgegenarbeiten, denn es
kann keinem Zweifel unterliegen, daß sie den Kauf und
die Bestellung von Kunstwerken auf das stärkste behinderte.
Der Erwerb von Kunstwerken lebender deutscher
Künstler geschieht auch in den seltensten Fällen unter dem
Gesichtspunkt der Kapitalanlage, und es dürften Kunst-
werke nicht in einer Linie mit Grundstücken, perlen und
Edelsteinen genannt werden.
Die Verkäufe und Auftrag-Vermittlungen des Vereins
Berliner Künstler im Künstlerhaus und auf der Großen
Berliner Kunstausstellung zeigen deutlich, daß sich
1. die Mehrzahl der Verkäufe auf einer Preislage unter
1000 Mark, und
2. daß sich der aufgewendete höhere Betrag meistens
an der Grenze von 1000 Mark bewegt;
z. daß ein erheblicher Bruchteil auf den verkauf von
Werken jüngst verstorbener Künstler, und zwar in
gleicher Preisverteilung, entfällt.
Dieses Verhältnis läßt sich ohne weiteres auf alle von
den deutschen Künstlern veranstalteten Ausstellungen über-
tragen und dürften auch auf den Kunsthandel zutreffen.
Abgesehen von der durch die Steuer hervorgerufenen
Behinderung eines Kaufes an sich, wird die Steuer die
schädigende Wirkung haben, daß die Käufer in vielen
Fällen bei den höher als mit 1000 Mark angesetzten Wer-
ken eine Herabdrückung unter 1000 Mark betreiben werden,
um der Steuer zu entgehen, und daß die Künstler unter

dem Druck der für sie besonders schweren, durch den Krieg
hervorgerufenen Lage dem Untergebot nachzugeben ge-
zwungen sein möchten. Aus dem gleichen Grunde würde
der Käufer bei dem Erwerb von z. B. z Werken zu je
HOO Mark, diese zusammen für weniger als 1000 Mark
zu erlangen trachten, was aber die Kunstwerke mit
höheren Preisen anbetrifft, so sind gerade sie es, an denen
die Künstler vielfach sehr geringen Verdienst haben, teils
wegen der langen Arbeitszeit, teils wegen hoher Betriebs-
kosten, wie Arbeitsräume, teures Material, Modelle, Lebens-
unterhalt. Ja, nicht selten müssen gerade diese Werke
unter den Herstellungskosten abgegeben werden. Die Steuer
wird in solchen Fällen geradezu einer Strafe auf ernste
und eindringliche künstlerische Arbeit gleichkommen.
Bei künstlerischen Aufträgen ist auch der Fall häufig,
daß Werke, die beim Künstler vor Ausbruch des Krieges
bestellt wurden, und erst jetzt oder noch später fertig wer-
den und zur Ablieferung gelangen, unter die geplante
Steuer wohl nicht fallen dürften.
Aber auch die Werke jüngst verstorbener Künstler sollten
von der Steuer nicht betroffen werden. Denn die Ange-
hörigen, die oft ein hartes entbehrungsreiches Leben mit
dem Künstler durchgekämpft haben, befinden sich vielfach
in wenig günstiger Lebenslage, fo daß sie den Ertrag aus
den ihnen zugefallenen Werken, deren verkauf außerdem
durch die Steuer erheblich behindert ist, unbedingt zum
Leben gebrauchen.
wir bitten deshalb ehrerbietigst diese Kunstwerke in
die neue Steuer nicht einzubeziehen.
wir möchten uns erlauben, auch noch besonders auf
folgendes hinzuweisen: Ls gibt sehr viele Menschen, die
„sogenannte" Kunst kaufen und hierfür nicht unerhebliche
Mittel aufwenden. Außer um fabrikartig hergestellte
„Werke" handelt es sich um überpinselte photographische
mechanische Vergrößerungen. Die Zahl der Abnehmer ist
beschämend groß, und die Preise betragen in sehr vielen
Fällen iooo Mark und sogar vieles darüber. Sie würden
unter den Begriff des Gesetzes nicht fallen, was um so
bedenklicher ist, als gerade diese Machwerke Kunst und
Künstler schädigen.
Ehrerbietigst
Der Vorstand:
gez: R. Lcüulte im Hots, 1. Vorsitzender.

Der Hauptausschutz der Allgemeinen Deutschen
Runstgenossenschaft sendet uns das Resultat, das
auf seine gemeinsam mit dem Deutschen Rünstler-
bund gemachte Eingabe erfolgt ist:
wir können Mitteilung machen, daß im letzten Augen-
blick vor Einbringung des Kriegsgewinnfteuergesetzes im
Reichstage der für das Schaffen der lebenden Künstler so
gefährliche tz 5 des Gesetzes vom Bundesrat einen Zusatz
erhalten hat:
„Diese Vorschrift (nämlich wegen der Besteuerung von
Kunstwerken) findet keine Anwendung bei dem Erwerb
von Kunstwerken lebender und seit dem i. Januar 1910
verstorbener deutscher Künstler und im Deutschen Reiche
wohnender Künstler."
Es ist erfreulich, daß auf diese Weise die Schritte der
Künstlerschaft, Allgemeinen Deutschen Kunstgenoffenschaft,
Deutscher Künstlerbund und Wirtschaftlichen verbände usw.
zu einem befriedigenden Ergebnis geführt haben.

Ortsverein Leipzig.
Mittwoch, den 8. März, fand im Künstlerhaus abends
V,9 Uhr die Generalversammlung des Orts-
 
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