XV, Heft 28.
Di? Werkstatt der Kunst.
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entwickeln,- er muß das Ineinanderfließen der Formen
greifbar darstellen- er wird die Formen, die kontur-
bildend sind, begreifen lernen.
Jede Gestaltung in die Tiefe erfordert Denken im
Raum, sobald dieser dargestellt werden muß, ist Per-
spektive nötig, über die Notwendigkeit deren Erlernung
wohl nichts weiter zu erörtern ist.
Der Unterricht im Zeichnen kann sich zuerst nur
auf die richtige Wiedergabe des Gegenständlichen
erstrecken, die in den verschiedensten Materialien wie
Nohle, Bleistift, Rötel, Tusche ausgeführt werden
sollte. Mit den zunehmenden Fortschritten des
Schülers wird es nötig, ihn mit den anderen Aus-
drucksweisen in Schwarz und Weiß, zu denen Ra-
dierung und Lithographie gehört, bekannt zu machen.
Der Schüler muß sich mit allen Materialien vertraut
machen,- er muß erfahren haben, was ihm am mei-
sten liegt, und womit er sich, wenn er selbständig
ist, seinen Lebensunterhalt erwerben kann.
In der Malerei, man kann es ruhig behaupten,
liegt das Lehr- und Lernbare zum überwiegenden
Teil im Zeichnen, es ist das Fundament des Malers,
und ohne dieses sollte keiner das Malen anfangen.
Wie manchem wurde es zum Verhängnis, der sich
von der Farbe fortreißen ließ, ohne die nötigen
Kenntnisse im Zeichnen erworben zu haben! Ruch
die schönste Farbengebung läßt im Beschauer un-
befriedigte Gefühle zurück, wenn ungenügende Zeich-
nung vorhanden ist. Das überlege sich jeder, bevor
er mit Farbe beginnt, denn zeichnerisches Nichtwissen
und Nichtkönnen rächt sich.
Die Handhabung der Malerei ist in unserer Zeit
anscheinend sehr einfach. Man kauft sich Staffelei,
Palette, Pinsel, geriebene Farben, gemischte Mal-
mittel, grundierte Leinwand,- das ganze Handwerks-
zeug ist fertig zu haben. Man braucht sich um die
Herstellung nicht mehr zu kümmern. Man fängt zu
malen an, ohne zu wissen, wie die Leinwand grun-
diert ist, ohne zu wissen, welche Bindemittel in den
Farben sind, und aus was die Malmittel bestehen.
Dazu kommt noch die große Nuswahl von zum Teil
schon fertig gemischten und mit allen möglichen
Bindemitteln angeriebenen Farben. Wenn man im
Farbkasten der Schüler nachschaut, so sind alle mög-
lichen Fabrikmarken vertreten.
Der Schüler malt auf der gleichen Leinwand mit
gewachsten und ungewachsten, mit nur in fettem Gl
oder mit in fettem Gl und harz oder mit in fettem
und ätherischen Gl angeriebenen Farben. Ist es
da noch möglich, daß der Schüler Materialkenntnis
bekommt?
Was soll denn eigentlich der Schüler lernen
und was ist lehrbar? Ist es Technik, gleichbe-
deutend mit Manier oder Schreibweise,- ist es
Mischung der Farbe oder ist es Farbenauftrag?
Nichts von alledem kann es sein, denn dies sind per-
sönliche Angelegenheiten, die nicht lern- und nicht
lehrbar sind, denn die Schreibweise wird sich der-
jenige, der Zeichnen kann und Formenverständnis
hat, ohne Lehrer aneignen; Farben mischen kann
keiner lernen, der keinen Farbensinn hat, Farben-
auftrag, der von dem jeweils verwandten Binde-
mittel abhängig ist, kann dünn oder dick geschehen,
darüber ist nichts zu lehren. Das einzige was in der
Malschule gelehrt werden kann, ist das Handwerk,
das mit Grundieren anfängt und sich dann aus das
Kennenlernen der verschiedenen Materialien, mit
denen der Maler hantieren muß, erstreckt. Zunächst
ist es die Kenntnis der Bindemittel. Dem Schüler
muß es wissenswert sein, mit was er malt. Er mutz
die Eigenschaften und Trocknungszeit der harze,
ätherischen und fetten Gle kennen lernen, er mutz
wissen, welche Farben viel und welche wenig Binde-
mittel gebrauchen. Daß er Farben selbst reibt, ist
nicht nötig, denn das kann die Maschine besorgen.
Die Gründe, warum er sich mit Dingen beschäf-
tigen soll, die ihm in einfacherer Weise durch den
Fabrikanten fertig geliefert werden können, sind die:
Jedes Bindemittel bedingt eine eigene Arbeitsweise.
Das Bindemittel muß etwas persönliches bekommen;
es mutz der Eigenart des Malers angepatzt werden.
Das gleiche gilt für die Malmittel; durch die
Kenntnis des Materials in seinen verschiedenartigen
Wirkungen wird es dem Schüler möglich, die für den
jeweiligen Fall nötigen Malmittel selbst zu mischen.
Der Schüler muß Selbständigkeit erlangen, er darf
nicht das Opfer der zum Teil brauchbaren und zum
Teil unbrauchbaren Erfindungen der Theoretiker
werden.
Die Mischungen der Mal- und Bindemittel sind
physikalischer Natur. Ehemische Kenntnisse sind hierzu
keine Voraussetzung. Chemie spielt bei dem Hand-
werkszeug des Malers nur in der Herstellung der
Farbkörper eine Rolle, und das muß der Maler dem
Chemiker überlassen. Es wird wohl keiner besser
malen, wenn er weiß, daß Zinnober aus Schwefel-
quecksilber oder Zinkweiß aus Zinkoxgd (2nO)
besteht. Den Schüler mit diesen Kenntnissen zu über-
lasten, wäre Zeitverschwendung. Er soll nur wissen,
welche Farbkörper haltbar und welche unhaltbar sind.
Die weitere Tätigkeit des Lehrers bestünde darin,
den Schüler Kopf- und Aktstudien mit den verschie-
denen Materialien malen zu lassen, wobei er dem
Schüler die größten Freiheiten sowohl hinsichtlich der
Farbengebung wie der Schreibweise läßt. Der Schüler
mutz sich austoben können; er verliert die Ängstlich-
keit und wird freier im Ausdruck. Nichts wäre ver-
kehrter, wie den Schüler in eine Farbengebung oder
Schreibweise, die seiner Eigenart fernliegt, hinein zu
zwingen. Mancher weiß ein Lied davon zu singen,
der Jahre brauchte, um das zu verlernen, was er von
einem unverständigen Lehrer eingetrichtert bekommen
hat. Farbengebung ist nicht lehrbar, denn jeder malt
so, wie ihm die Farben in der Natur erscheinen, da-
gegen ist Farbenanwendung lehrbar.
Die Farbe ist wie eine Sprache, die erlernbar ist;
der Sprachenbegabte wird es soweit bringen, daß er
in ihr denken lernt, daß er seiner Phantasie in ihren
Di? Werkstatt der Kunst.
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entwickeln,- er muß das Ineinanderfließen der Formen
greifbar darstellen- er wird die Formen, die kontur-
bildend sind, begreifen lernen.
Jede Gestaltung in die Tiefe erfordert Denken im
Raum, sobald dieser dargestellt werden muß, ist Per-
spektive nötig, über die Notwendigkeit deren Erlernung
wohl nichts weiter zu erörtern ist.
Der Unterricht im Zeichnen kann sich zuerst nur
auf die richtige Wiedergabe des Gegenständlichen
erstrecken, die in den verschiedensten Materialien wie
Nohle, Bleistift, Rötel, Tusche ausgeführt werden
sollte. Mit den zunehmenden Fortschritten des
Schülers wird es nötig, ihn mit den anderen Aus-
drucksweisen in Schwarz und Weiß, zu denen Ra-
dierung und Lithographie gehört, bekannt zu machen.
Der Schüler muß sich mit allen Materialien vertraut
machen,- er muß erfahren haben, was ihm am mei-
sten liegt, und womit er sich, wenn er selbständig
ist, seinen Lebensunterhalt erwerben kann.
In der Malerei, man kann es ruhig behaupten,
liegt das Lehr- und Lernbare zum überwiegenden
Teil im Zeichnen, es ist das Fundament des Malers,
und ohne dieses sollte keiner das Malen anfangen.
Wie manchem wurde es zum Verhängnis, der sich
von der Farbe fortreißen ließ, ohne die nötigen
Kenntnisse im Zeichnen erworben zu haben! Ruch
die schönste Farbengebung läßt im Beschauer un-
befriedigte Gefühle zurück, wenn ungenügende Zeich-
nung vorhanden ist. Das überlege sich jeder, bevor
er mit Farbe beginnt, denn zeichnerisches Nichtwissen
und Nichtkönnen rächt sich.
Die Handhabung der Malerei ist in unserer Zeit
anscheinend sehr einfach. Man kauft sich Staffelei,
Palette, Pinsel, geriebene Farben, gemischte Mal-
mittel, grundierte Leinwand,- das ganze Handwerks-
zeug ist fertig zu haben. Man braucht sich um die
Herstellung nicht mehr zu kümmern. Man fängt zu
malen an, ohne zu wissen, wie die Leinwand grun-
diert ist, ohne zu wissen, welche Bindemittel in den
Farben sind, und aus was die Malmittel bestehen.
Dazu kommt noch die große Nuswahl von zum Teil
schon fertig gemischten und mit allen möglichen
Bindemitteln angeriebenen Farben. Wenn man im
Farbkasten der Schüler nachschaut, so sind alle mög-
lichen Fabrikmarken vertreten.
Der Schüler malt auf der gleichen Leinwand mit
gewachsten und ungewachsten, mit nur in fettem Gl
oder mit in fettem Gl und harz oder mit in fettem
und ätherischen Gl angeriebenen Farben. Ist es
da noch möglich, daß der Schüler Materialkenntnis
bekommt?
Was soll denn eigentlich der Schüler lernen
und was ist lehrbar? Ist es Technik, gleichbe-
deutend mit Manier oder Schreibweise,- ist es
Mischung der Farbe oder ist es Farbenauftrag?
Nichts von alledem kann es sein, denn dies sind per-
sönliche Angelegenheiten, die nicht lern- und nicht
lehrbar sind, denn die Schreibweise wird sich der-
jenige, der Zeichnen kann und Formenverständnis
hat, ohne Lehrer aneignen; Farben mischen kann
keiner lernen, der keinen Farbensinn hat, Farben-
auftrag, der von dem jeweils verwandten Binde-
mittel abhängig ist, kann dünn oder dick geschehen,
darüber ist nichts zu lehren. Das einzige was in der
Malschule gelehrt werden kann, ist das Handwerk,
das mit Grundieren anfängt und sich dann aus das
Kennenlernen der verschiedenen Materialien, mit
denen der Maler hantieren muß, erstreckt. Zunächst
ist es die Kenntnis der Bindemittel. Dem Schüler
muß es wissenswert sein, mit was er malt. Er mutz
die Eigenschaften und Trocknungszeit der harze,
ätherischen und fetten Gle kennen lernen, er mutz
wissen, welche Farben viel und welche wenig Binde-
mittel gebrauchen. Daß er Farben selbst reibt, ist
nicht nötig, denn das kann die Maschine besorgen.
Die Gründe, warum er sich mit Dingen beschäf-
tigen soll, die ihm in einfacherer Weise durch den
Fabrikanten fertig geliefert werden können, sind die:
Jedes Bindemittel bedingt eine eigene Arbeitsweise.
Das Bindemittel muß etwas persönliches bekommen;
es mutz der Eigenart des Malers angepatzt werden.
Das gleiche gilt für die Malmittel; durch die
Kenntnis des Materials in seinen verschiedenartigen
Wirkungen wird es dem Schüler möglich, die für den
jeweiligen Fall nötigen Malmittel selbst zu mischen.
Der Schüler muß Selbständigkeit erlangen, er darf
nicht das Opfer der zum Teil brauchbaren und zum
Teil unbrauchbaren Erfindungen der Theoretiker
werden.
Die Mischungen der Mal- und Bindemittel sind
physikalischer Natur. Ehemische Kenntnisse sind hierzu
keine Voraussetzung. Chemie spielt bei dem Hand-
werkszeug des Malers nur in der Herstellung der
Farbkörper eine Rolle, und das muß der Maler dem
Chemiker überlassen. Es wird wohl keiner besser
malen, wenn er weiß, daß Zinnober aus Schwefel-
quecksilber oder Zinkweiß aus Zinkoxgd (2nO)
besteht. Den Schüler mit diesen Kenntnissen zu über-
lasten, wäre Zeitverschwendung. Er soll nur wissen,
welche Farbkörper haltbar und welche unhaltbar sind.
Die weitere Tätigkeit des Lehrers bestünde darin,
den Schüler Kopf- und Aktstudien mit den verschie-
denen Materialien malen zu lassen, wobei er dem
Schüler die größten Freiheiten sowohl hinsichtlich der
Farbengebung wie der Schreibweise läßt. Der Schüler
mutz sich austoben können; er verliert die Ängstlich-
keit und wird freier im Ausdruck. Nichts wäre ver-
kehrter, wie den Schüler in eine Farbengebung oder
Schreibweise, die seiner Eigenart fernliegt, hinein zu
zwingen. Mancher weiß ein Lied davon zu singen,
der Jahre brauchte, um das zu verlernen, was er von
einem unverständigen Lehrer eingetrichtert bekommen
hat. Farbengebung ist nicht lehrbar, denn jeder malt
so, wie ihm die Farben in der Natur erscheinen, da-
gegen ist Farbenanwendung lehrbar.
Die Farbe ist wie eine Sprache, die erlernbar ist;
der Sprachenbegabte wird es soweit bringen, daß er
in ihr denken lernt, daß er seiner Phantasie in ihren