H20 Die Werkstatt der Kunst.XV, heft 32.
worden ist, mutz wieder fallen, wenigstens bei dem standshalber bei öffentlichen Gelegenheiten mit einer
deutschen Volke, das auf allen Gebieten höchst- Kunst zweiten und dritten Ranges nicht mehr länger
leistungen hervorgebracht hat und sich deshalb an- begnügen kann.
Im Lalkanzuge*).
Leider bedeutet dieser Zug eine Enttäuschung. Er
ist gar keine Sensation, und das hatte ich erwartet. Er
fährt genau so gut wie andere Züge auf dem deutschen
und österreick ischen Gebiet, hier halten wir öfter
und lange, ohne datz sich ein vernünftiger Grund
einsehen lietze. Tscheäische Namen erheitern, wie
z. B. eben Hölak-Trenksenteplitz, ein radioaktives
Schlamm- und Schwefelbad, wo wir 4 Minuten
liegen, ohne daß jemand ein- oder aussteigt, ohne
datz auch nur ein Vahnhofswirt, ein Zeitungsver-
käufer den versuch machte, etwas an uns zu ver-
dienen. Die Gäste des Zuges stehen in keinem inneren
oder äußeren Zusammenhang, soweit sie nicht im
selben Raum sitzen, was der Zufall meistert. Zivil
und Militär, durcheinander, auch ein paar van en-
man hält sich vorsichtig abseits, Spione odeö doch
Indiskretion witternd, denn es sind unverkennbare
Ausländer darunter einer bestimmt Anglosachse,
aber natürlich Amerika und einige Levantiner, wenn
auch vielleicht nur aus Breslau, Offiziere aller Waffen
und Rangstufen, Arzte, Feldgeistliche. Bis zur Grenze
nichts Sonderbares. Der Schnee hört hinter Breslau
auf, Oppeln zeigt in Rauch gehüllt seine Betriebsam-
keit, in der Ratiborer Gegend ist die Feldbestellung
im vollen Gange, Polenmädchen in bunten Tüchern
beleben die frischgrünen Acker. Ein deutsches Kom-
mando prüft vor der Grenze die Pässe, nach Oder-
berg tun die Österreicher ebenso. Sie sind elegant,
höflich, für die Augen erfreulich und für unsere ans
Feldgraue gewöhnten Augen zu farbig. Vas Land
wird hüglig, auf höheren kuppeln liegt noch Schnee.
Auf dem Vorgelände ab und an ein vornehmes Schloß,
viele Wässer, denen man die Tücke bei der Schnee-
schmelze ansieht. Nachher wirds Abend, und die
Berge hoher. Einmal hält der Zug l0 Minuten, da
erscheinen alpenhafte höhen blendendweiß in der
Ferne, jetzt hat die Nacht das Land eingewickelt. Man
ahnt nichts von der Außenwelt.
Als morgens die ersten Lichtstrahlen in den Schlaf-
wagen drangen, hob ich den Vorhang vom Fenster.
Draußen zog Ungarn vorbei. Vie kleinen weißen
Häuser schimmerten in der fahlen Dämmerung wie
Kulissen, und auf der Straße zog die Landbevölkerung
zur Arbeit, weiße große langhörnige Ochsen vor sich
hertreibend. Semlin kam und der Damm über die
Sarve, über die neue Brücke gings hinein nach Bel-
grad, das in Trümmer geschossen am Berg sich hoch-
zieht. Bei grauem Wetter macht es keinen besonderen
Eindruck, da ihm die malerische Linie fehlt. Zm
Speisewagen ist jetzt das Bild verändert. Über Nacht
ist aus dem Süden Deutschlands, aus Wien mancherlei
*) von unserem im Felde stehenden Schriftleiter.
dazugekommen,bulgarische, türkische und österreichische
Offiziere, noch mehr Zivil aus der Levante. Vie
Kellner sehen aus wie pascinsche karrikaturen, und
mit weichen Lauten fordern sie unerhörte Preise für
wenig und schlechtes Essen.
Nun fahren wir durch Serbien. Zn den Flüssen
liegen sauber gesprengte Brücken, an den neuen
überall vortrefflicher Bahnschutz, kleine Festungen mit
Drahtverhauen, Schützengräben, Schutzschilden, und
am Blockhaus in der Mitte irgendeine freundlich ge-
malte Aufschrift. Die Gegend, die Häuser erinnern an
Italien oder Südfrankreich.
Ein gewisses Schonheitsempfinden spricht aus der
Bemalung der Säulenoorhallen, aus der Art, wie die
Zäune mannigfaltig geflochten werden. Mitreisende
erzählen von den Kämpfen hier und können sie an
der Gegend selbst erläutern.
Vie unsagbaren serbischen Wege erscheinen in
ihrem ganzen Schmutz und laufen neben der Bahn
her, oft durch seeartige Wasserlöcher ohne Steg, oder
ziehen sich am Hang hin, in jedem Einschnitt dem
anstürmenden Wasser bei Regen rettungslos ver-
fallend.
Da sind dann Geschütze und Autos notwendig
stecken geblieben. Über fast senkrechtem hange haben
die Serben gesessen. Da sind unsere Leute hinauf-
gestürmt, mit wenig Verlusten, weil die Verteidiger sich
zeigen mußten, um hinunterschießen zu können, und
von der weiter zurückliegenden Reserve dann abge-
schossen wurden.
Auch sonst mehren sich die Zeichen des Krieges.
Verbrannte Bahnwagen liegen am Hang und strecken
kläglich die Räder in die Luft. Eine scheinbar un-
versehrte Brücke erweist sich in der Nähe als sehr
kunstvoll zusammengeflickt, und an den Ausweich-
gleisen stehen Züge mit Flüchtlingen, die zurückgebracht,
Truppen, die verschoben werden.
Aber überall ist die Feldbestellung im Gange.
Rinder ziehen zu viert die Pflüge durch die Mais-
stoppeln. vorsorglich geht ein Zunge oder eine Frau
vorweg, als wolle sie den weg zeigen, ein zweiter
drückt auf den Hebel, und der Vater des Hauses
bewacht zigarettenrauchend die ordnungsmäßige Aus-
führung der Arbeit.
von den musikhistorischen Schweineherden ist
allerdings nichts zu sehen, nur vereinzelte Stücke des
edlen Borstenviehs versprechen, sich zu größeren
Trupps zu vermehren, doch sind Hammelherden
häufig. Schiffsmühlen liegen in der Marawa, und
große Fabriken zeugen von der Betriebsamkeit des
Landes.
Nur mit einer Stunde Verspätung kommen wir
endlich in Nisch an, der zweiten Hauptstadt Serbiens.
worden ist, mutz wieder fallen, wenigstens bei dem standshalber bei öffentlichen Gelegenheiten mit einer
deutschen Volke, das auf allen Gebieten höchst- Kunst zweiten und dritten Ranges nicht mehr länger
leistungen hervorgebracht hat und sich deshalb an- begnügen kann.
Im Lalkanzuge*).
Leider bedeutet dieser Zug eine Enttäuschung. Er
ist gar keine Sensation, und das hatte ich erwartet. Er
fährt genau so gut wie andere Züge auf dem deutschen
und österreick ischen Gebiet, hier halten wir öfter
und lange, ohne datz sich ein vernünftiger Grund
einsehen lietze. Tscheäische Namen erheitern, wie
z. B. eben Hölak-Trenksenteplitz, ein radioaktives
Schlamm- und Schwefelbad, wo wir 4 Minuten
liegen, ohne daß jemand ein- oder aussteigt, ohne
datz auch nur ein Vahnhofswirt, ein Zeitungsver-
käufer den versuch machte, etwas an uns zu ver-
dienen. Die Gäste des Zuges stehen in keinem inneren
oder äußeren Zusammenhang, soweit sie nicht im
selben Raum sitzen, was der Zufall meistert. Zivil
und Militär, durcheinander, auch ein paar van en-
man hält sich vorsichtig abseits, Spione odeö doch
Indiskretion witternd, denn es sind unverkennbare
Ausländer darunter einer bestimmt Anglosachse,
aber natürlich Amerika und einige Levantiner, wenn
auch vielleicht nur aus Breslau, Offiziere aller Waffen
und Rangstufen, Arzte, Feldgeistliche. Bis zur Grenze
nichts Sonderbares. Der Schnee hört hinter Breslau
auf, Oppeln zeigt in Rauch gehüllt seine Betriebsam-
keit, in der Ratiborer Gegend ist die Feldbestellung
im vollen Gange, Polenmädchen in bunten Tüchern
beleben die frischgrünen Acker. Ein deutsches Kom-
mando prüft vor der Grenze die Pässe, nach Oder-
berg tun die Österreicher ebenso. Sie sind elegant,
höflich, für die Augen erfreulich und für unsere ans
Feldgraue gewöhnten Augen zu farbig. Vas Land
wird hüglig, auf höheren kuppeln liegt noch Schnee.
Auf dem Vorgelände ab und an ein vornehmes Schloß,
viele Wässer, denen man die Tücke bei der Schnee-
schmelze ansieht. Nachher wirds Abend, und die
Berge hoher. Einmal hält der Zug l0 Minuten, da
erscheinen alpenhafte höhen blendendweiß in der
Ferne, jetzt hat die Nacht das Land eingewickelt. Man
ahnt nichts von der Außenwelt.
Als morgens die ersten Lichtstrahlen in den Schlaf-
wagen drangen, hob ich den Vorhang vom Fenster.
Draußen zog Ungarn vorbei. Vie kleinen weißen
Häuser schimmerten in der fahlen Dämmerung wie
Kulissen, und auf der Straße zog die Landbevölkerung
zur Arbeit, weiße große langhörnige Ochsen vor sich
hertreibend. Semlin kam und der Damm über die
Sarve, über die neue Brücke gings hinein nach Bel-
grad, das in Trümmer geschossen am Berg sich hoch-
zieht. Bei grauem Wetter macht es keinen besonderen
Eindruck, da ihm die malerische Linie fehlt. Zm
Speisewagen ist jetzt das Bild verändert. Über Nacht
ist aus dem Süden Deutschlands, aus Wien mancherlei
*) von unserem im Felde stehenden Schriftleiter.
dazugekommen,bulgarische, türkische und österreichische
Offiziere, noch mehr Zivil aus der Levante. Vie
Kellner sehen aus wie pascinsche karrikaturen, und
mit weichen Lauten fordern sie unerhörte Preise für
wenig und schlechtes Essen.
Nun fahren wir durch Serbien. Zn den Flüssen
liegen sauber gesprengte Brücken, an den neuen
überall vortrefflicher Bahnschutz, kleine Festungen mit
Drahtverhauen, Schützengräben, Schutzschilden, und
am Blockhaus in der Mitte irgendeine freundlich ge-
malte Aufschrift. Die Gegend, die Häuser erinnern an
Italien oder Südfrankreich.
Ein gewisses Schonheitsempfinden spricht aus der
Bemalung der Säulenoorhallen, aus der Art, wie die
Zäune mannigfaltig geflochten werden. Mitreisende
erzählen von den Kämpfen hier und können sie an
der Gegend selbst erläutern.
Vie unsagbaren serbischen Wege erscheinen in
ihrem ganzen Schmutz und laufen neben der Bahn
her, oft durch seeartige Wasserlöcher ohne Steg, oder
ziehen sich am Hang hin, in jedem Einschnitt dem
anstürmenden Wasser bei Regen rettungslos ver-
fallend.
Da sind dann Geschütze und Autos notwendig
stecken geblieben. Über fast senkrechtem hange haben
die Serben gesessen. Da sind unsere Leute hinauf-
gestürmt, mit wenig Verlusten, weil die Verteidiger sich
zeigen mußten, um hinunterschießen zu können, und
von der weiter zurückliegenden Reserve dann abge-
schossen wurden.
Auch sonst mehren sich die Zeichen des Krieges.
Verbrannte Bahnwagen liegen am Hang und strecken
kläglich die Räder in die Luft. Eine scheinbar un-
versehrte Brücke erweist sich in der Nähe als sehr
kunstvoll zusammengeflickt, und an den Ausweich-
gleisen stehen Züge mit Flüchtlingen, die zurückgebracht,
Truppen, die verschoben werden.
Aber überall ist die Feldbestellung im Gange.
Rinder ziehen zu viert die Pflüge durch die Mais-
stoppeln. vorsorglich geht ein Zunge oder eine Frau
vorweg, als wolle sie den weg zeigen, ein zweiter
drückt auf den Hebel, und der Vater des Hauses
bewacht zigarettenrauchend die ordnungsmäßige Aus-
führung der Arbeit.
von den musikhistorischen Schweineherden ist
allerdings nichts zu sehen, nur vereinzelte Stücke des
edlen Borstenviehs versprechen, sich zu größeren
Trupps zu vermehren, doch sind Hammelherden
häufig. Schiffsmühlen liegen in der Marawa, und
große Fabriken zeugen von der Betriebsamkeit des
Landes.
Nur mit einer Stunde Verspätung kommen wir
endlich in Nisch an, der zweiten Hauptstadt Serbiens.