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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 15.1915/​1916

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v. Bülow, J.: Im Balkanzuge
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Baehr: Die Vermittlung des Wesentlichen
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https://doi.org/10.11588/diglit.57056#0425

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XV, heft 32.

Die Werkstatt der Kunst.

421

Lin jammervolles Nest, niedrige, schmutzige Häuser
mit dem versuch, europäisch zu scheinen. Lebhaft
erinnerte mich alles hier an Südspanien und Las
Palmas. Vas vergleichen zwingt sich hier auf, wenn
ich mich auch noch so sehr, schon aus Grundsatz, da-
gegen sträube. Vie Ähnlichkeiten liegen und be-
gründen sich wohl auch hauptsächlich darin, daß hier
wie dort die arabische Kultur vor einer schlechteren,
roheren zurückweichen mußte, daß wir uns beide
Male im Grenzgebiet der Macht befinden, die ihren
Einfluß auch über die politischen und religiösen
Grenzen bewahrte, hier sind die Trennungen noch
nicht einmal so lange her, hier ist die religiöse Grenze
überhaupt nicht gezogen, denn noch gibt es Musel-
manen in ganz Ostserbien.
In Nisch findet sich ein Minarett, jetzt mit Kreuz
und Glocke, eine allerdings zur Schatzkammer um-
gewandelte Moschee. In der Zitadelle, die interessant
zu besuchen uir ihrer Tore und ihrer Umwallung
für historisch begeisterte Gemüter ist, weil hier Wil-
helm II. und der Zar Ferdinand von Bulgarien sich
trafen, wofür zur Feier, nicht zum Beweise, ein
bulgarisches F. und ein W. in alten Kanonen-
kugeln auf der Erde gelegt sind, Kugeln, die aus-
sehen, wie jene, auf der Münchhausen seinen be-
rühmten Ritt gemacht.
Gb eine im Betriebe befindliche Moschee vor-
handen, entzieht sich meiner kurzen Kenntnis des
Grtes, nur den berühmten vielkuppligen vom in
Schwarz und Weiß besuchte ich, der mehr durch
Eigenart wie Schönheit wirkt.
von Nisch gings in strömendem Regen und Schnek-
kentempo, aber deutschen Wagen nach Lestowatsch,
wo ein vortreffliches Offizierquartier mich aufnahm.
Vie eisenumrandeten Betten standen mit dem Gitter
gegen die Wand, warum, war nicht ersichtlich,
höchstens um als Schutzwehr gegen Ungeziefer zu
dienen, das aber nicht erschien. Dafür war die Bett-
wäsche noch „ganz sauber", denn sie war erst drei-
oder viermal benutzt, wie die bedienende Ordonnanz
mit dem Brustton des guten Gewissens behauptete,
ver Mann hatte außerdem einen Kanonenofen sofort
Vie Vermittlung
Vie deutsche Felddienstordnung weist an zwei
Stellen auf die Möglichkeit hin, Ansichtsskizzen für
Meldungen nutzbar zu machen.
Unsre militärischen Führer haben natürlich schon
im Frieden dafür gesorgt, daß diesem Hinweise durch
gelegentliche kleine Übungen entsprochen wurde. Uber
diese versuche waren von vornherein durch die all-
gemeine Unbekanntschaft mit den nötigen Vorbe-
dingungen zu einer wertlosen Rolle verurteilt. Ruch
jetzt im Felde sieht man, vor allem in den Beobach-
tungsstellen am Feinde, allerhand versuche, die traum-
haft dräuende Natur „da gegenüber" darzustellen und
ihre Beziehungen zum Feinde durch Schriftzeichen fest-
zulegen. Uber nur sehr wenige dieser beschrifteten

in Tätigkeit gefetzt, obgleich draußen schon die Pflau-
men blühten, und ich mußte die Holzscheite ausgießen,
um nicht über Nacht in eine der landesüblichen Back-
pflaumen verwandelt zu werden. Dafür schlief ich
leidlich, bis die Sonne zu früher Morgenstunde herein-
geschienen hätte, wenn es nicht weiter geregnet.
Darum bot auch Lestowatsch nicht das erfreuliche
Bild, das es am Nachmittag zeigte, wo die Allmutter
sich durchsetzte und alles vergoldete: vreck, bulgarische
Fahnen, weiß-grün-rot, in Unzahl leere Fenster-
höhlen, wo die erst durchziehenden Truppen, um zu
Heizen, die Rahmen herausgenommen, und das
sabrikschornsteinähnliche Minarett. Ls steht neben
der niedrigen Moschee, in der aber nur ein Teppich
sehenswert erscheint.
Militärische Gründe erlaubten mir und zwangen
mich zugleich, den ganzen Tag untätig hier zu bleiben.
So konnte ich ausgiebig genießen, was Lesto-
watsch an Beachtlichem bot, und es war wenig.
Zigeuner, die Zwerghaft in höhlenartigen Räumen
halb unter der Erde hämmeften und schmiedeten,
Töpfer, die allerhand hübsche Gefäße schäften und
in Hütten zwischen den Häusern brennen, der kümmer-
liche Ansatz eines Marktes an der Brücke mit Zwiebeln,
Sellerie, Paprika und Hammelfleisch. Zn den Straßen
lebhafter Verkehr von Autos, Ochsen- und Büffel-
wagen, die bulgarische Truppen treiben, dazwischen
Offiziere desselben Heeres aus kleinen struppigen
Pferdchen schnelltrabend, serbische Bauern in rot- und
blaugewirkten Strümpfen, rauh gewebten Gewän-
dern, die Hosen sackartig erweitert, zum Hocksitz ein-
gerichtet, die Frauen mit Rockschürzen, alle freundlich
grüßend. Unter den Kindern hat der deutsche Soldat,
wie überall, schon viele Freunde. Sie haben manche
Brocken aufgeschnappt und rufen sie uns entgegen:
„vrei Zigaretts — — bist woll verrückt!" — mit
trefflich geschnarrtem Zungen-R.
Zwischen unzählige Gänge straßab, straßauf werden
Eßpausen gelegt, in der allgemeinen Verpflegungs-
anstalt, wo man reichlich und gut ißt.
Bis der Abend kommt und wir abfahren tonnen,
mit dem einzigen Zug weiter nach Süden! I. v. B.
cles Mefenllieken.
Bilderchen sind nützlich; die meisten sind Spielereien.
Ls fehlte die Methode, und zwar die einzig mögliche
und nötige: die „Methode des Wesentlichen". Nur
sie kann den Fortschritt von Tändeleien zum sicheren
ttotmittel ermöglichen.
In diese Lücke hinein schrieb ich meine kleine An-
leitung zur Anfertigung von Ansichtskizzen, die als
Meldungen dienen oder Meldungen ergänzen sollen*).
Sie bietet Fingerzeige, und wie ich höre, nicht ohne
Erfolg. Ich hatte draußen an Ruhetagen dergleichen

*) Oie militärische Ansichtsskizze im Felde, von Haupt-
mann Ludwig Baehr. Im Verlage der vossischen Buch-
handlung in Berlin,
 
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