22
Statuen im Belvedere-Hof
Druckfassung der Laokoon-Beschreibung in GK2 S. 696—701 (GKTextS. 675-679)
b. AGESANDER, POLYDORUS UND ATHENODORUS;
486 UND VON IHREM WERKE DEM LAOCOON.
5
Nach dem Verluste von unzähligen Werken der Kunst aus dieser Zeit der höchsten Blüthe derselben,
ist unter denen, die sich gänzlich erhalten haben, die Statue des Laocoons das schätzbarste Denkmal,
wenn die Künstler derselben zu den Zeiten Alexanders des Großen gelebet haben, welches wir jedoch
nicht beweisen können: die Vollkommenheit dieser Statue aber machet es wahrscheinlich. Denn Plinius
giebt dieselbe als ein Werk an, welches allen anderen so wohl der Malerey als der Bildhauerey vorgezogen 10
werden müsse1. Die Künstler derselben sind Agesander, Polydorus und Athenodorus aus Rhodus, von
welchen der dritte ein Sohn des ersten war, und vermuthlich auch der zweyte; denn daß Athenodorus,
1312 aus Rhodus des Agesanders Sohn gewesen, beweiset folgende Inschrift der Base einer Statue in der Villa
Albani:
ΑΘΑΝΟΔΩΡΟΣΑΓΗΣΑΝΔΡΟΥ 15
ΡΟΔΙΟΣ ΕΠΟΙΗΣΕ
und die Statue des Laocoon machet wahrscheinlich, daß auch Polydorus des Agesanders Sohn gewesen
sey, weil widrigenfalls sich nicht begreifen lässet, wie sich drey Künstler, ich will nicht sagen, in der
Arbeit an einer und eben derselben Statue theilen können, sondern wie sie sich verglichen, da Laocoon,
der Vater, eine weit wichtigere und rühmlichere Figur ist, als die beyden Söhne desselben. Agesander 20
wird folglich den Vater ausgearbeitet haben, und seine beyden Söhne die Figuren der Söhne des Laocoon.
1312 Gedachte Base, welche in den Trümmern des alten Antium von dem Hrn. Kardinal Alex. Albani
entdecket worden, ist von schwarzem Marmor; es war aber in derselben eine Statue von weißem Marmor
eingefuget, von welcher sich ein Stück eines hängenden männlichen Mantels, welches eine Chlamys
war, neben der Base fand; von der Figur selbst aber war keine Spur zu finden. 25
486.217 Die Statue des Laocoon stand ehemals in dem Hause des Kaisers Titus1, und eben daselbst (nicht
aber, wie Nardini und andere vorgeben2, in den sogenannten sieben Sälen, als dem Wasserbehälter zu
217 den Bädern) wurde sie entdecket in dem Gewölbe eines Saals, der ein Theil der Bäder dieses Kaisers
gewesen zu seyn scheinet, aber durch eben diese Entdeckung uns den eigentlichen Ort des kaiserlichen
Hauses zeiget, als welches mit den Bädern vereiniget war. Hier stand Laocoon in einer großen Nische an 30
dem Ende des gedachten ausgemalten Saals, von dessen Gemälden sich noch itzo der irrig so genannte
1 °45 Coriolanus unter dem Gesimse erhalten hat*.
1 Plin. L. 36. c. 4. §. 11.
1 Plin. L. 36. c. 4. §. 11.
2 Nardin. Rom. p. 116.
* Ich habe in einer beglaubten schriftlichen Nachricht gefunden, daß Pabst Julius II. dem Felix von Fredis, wel-
cher den Laocoon entdeckete, ihm und seinen Söhnen zur Belohnung, introitus & portionem gabellae portae S.
Joannis Lateranensis verliehen habe; Leo X. aber gab diese Einkünfte an besagte Kirche zurück, und jenem an de-
ren Stelle Officium Scriptoriae Apostoli cae, worüber ihm den 9. Novemb. 1517. ein Breve ausgefertiget wurde. [698]
Statuen im Belvedere-Hof
Druckfassung der Laokoon-Beschreibung in GK2 S. 696—701 (GKTextS. 675-679)
b. AGESANDER, POLYDORUS UND ATHENODORUS;
486 UND VON IHREM WERKE DEM LAOCOON.
5
Nach dem Verluste von unzähligen Werken der Kunst aus dieser Zeit der höchsten Blüthe derselben,
ist unter denen, die sich gänzlich erhalten haben, die Statue des Laocoons das schätzbarste Denkmal,
wenn die Künstler derselben zu den Zeiten Alexanders des Großen gelebet haben, welches wir jedoch
nicht beweisen können: die Vollkommenheit dieser Statue aber machet es wahrscheinlich. Denn Plinius
giebt dieselbe als ein Werk an, welches allen anderen so wohl der Malerey als der Bildhauerey vorgezogen 10
werden müsse1. Die Künstler derselben sind Agesander, Polydorus und Athenodorus aus Rhodus, von
welchen der dritte ein Sohn des ersten war, und vermuthlich auch der zweyte; denn daß Athenodorus,
1312 aus Rhodus des Agesanders Sohn gewesen, beweiset folgende Inschrift der Base einer Statue in der Villa
Albani:
ΑΘΑΝΟΔΩΡΟΣΑΓΗΣΑΝΔΡΟΥ 15
ΡΟΔΙΟΣ ΕΠΟΙΗΣΕ
und die Statue des Laocoon machet wahrscheinlich, daß auch Polydorus des Agesanders Sohn gewesen
sey, weil widrigenfalls sich nicht begreifen lässet, wie sich drey Künstler, ich will nicht sagen, in der
Arbeit an einer und eben derselben Statue theilen können, sondern wie sie sich verglichen, da Laocoon,
der Vater, eine weit wichtigere und rühmlichere Figur ist, als die beyden Söhne desselben. Agesander 20
wird folglich den Vater ausgearbeitet haben, und seine beyden Söhne die Figuren der Söhne des Laocoon.
1312 Gedachte Base, welche in den Trümmern des alten Antium von dem Hrn. Kardinal Alex. Albani
entdecket worden, ist von schwarzem Marmor; es war aber in derselben eine Statue von weißem Marmor
eingefuget, von welcher sich ein Stück eines hängenden männlichen Mantels, welches eine Chlamys
war, neben der Base fand; von der Figur selbst aber war keine Spur zu finden. 25
486.217 Die Statue des Laocoon stand ehemals in dem Hause des Kaisers Titus1, und eben daselbst (nicht
aber, wie Nardini und andere vorgeben2, in den sogenannten sieben Sälen, als dem Wasserbehälter zu
217 den Bädern) wurde sie entdecket in dem Gewölbe eines Saals, der ein Theil der Bäder dieses Kaisers
gewesen zu seyn scheinet, aber durch eben diese Entdeckung uns den eigentlichen Ort des kaiserlichen
Hauses zeiget, als welches mit den Bädern vereiniget war. Hier stand Laocoon in einer großen Nische an 30
dem Ende des gedachten ausgemalten Saals, von dessen Gemälden sich noch itzo der irrig so genannte
1 °45 Coriolanus unter dem Gesimse erhalten hat*.
1 Plin. L. 36. c. 4. §. 11.
1 Plin. L. 36. c. 4. §. 11.
2 Nardin. Rom. p. 116.
* Ich habe in einer beglaubten schriftlichen Nachricht gefunden, daß Pabst Julius II. dem Felix von Fredis, wel-
cher den Laocoon entdeckete, ihm und seinen Söhnen zur Belohnung, introitus & portionem gabellae portae S.
Joannis Lateranensis verliehen habe; Leo X. aber gab diese Einkünfte an besagte Kirche zurück, und jenem an de-
ren Stelle Officium Scriptoriae Apostoli cae, worüber ihm den 9. Novemb. 1517. ein Breve ausgefertiget wurde. [698]