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Winckelmann, Johann Joachim; Balensiefen, Lilian; Borbein, Adolf Heinrich [Hrsg.]; Kunze, Max [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Hrsg.]; Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Winckelmann-Gesellschaft [Hrsg.]
Schriften und Nachlaß (Band 4,5): Statuenbeschreibungen, Materialien zur "Geschichte der Kunst des Alterthums", Rezensionen — [Mainz am Rhein]: Verlag Philipp von Zabern, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.58927#0061

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Torso

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sten Gefährlichkeiten ausgesetzet, der den Ländern Sicherheit und den Einwohnern Ruhe geschaffet.
Diese vorzügliche und edle Form einer so vollkommenen Natur ist gleichsam in die Unsterblichkeit
eingehüllet, und die Gestalt ist blos wie ein Gefäß derselben; ein höherer Geist scheinet den Raum der
sterblichen Theile eingenommen und sich an die Stelle derselben ausgebreitet zu haben. Es ist nicht mehr
der Körper welcher annoch[148] wider Ungeheuer und Friedensstöhrer zu streiten hat; es ist derjenige,
der auf dem Berge Oetas von den Schlacken der Menschlichkeit gereiniget worden, die sich von dem
Ursprünge der Aehnlichkeit des Vaters der Götter abgesondert haben. So vollkommen hat weder der
geliebte Flyllus noch die zärtliche Joie den Hercules gesehen; so lag er in den Armen der Hebe, der ewi-
gen Jugend, und zog in sich einen unaufhörlichen Einfluß derselben. Von keiner sterblichen Speise und
groben Theilen ist sein Leib ernähret; ihn erhält die Speise der Götter, und er scheinet nur zu genießen,
nicht zu nehmen, und völlig ohne angefüllet zu seyn.
El γάρ κεν καί σμικρόν επί σμικρώ καταθεΐο,
Καί θαμά τοΰτ' έρδοις.
Druckfassung Torso-Beschreibung in GK2 S. 741—744 (GKText S. 715—717)
a. KÜNSTLER DIESER ZEIT, UND BESONDERS APOLLONIUS, DER MEISTER DES TORSO IM
BELVEDERE.
In dieser Wiederherstellung der Kunst haben sich unter den Bildhauern berühmt gemachet Antäus,
Callistratus, Policles, Athenäus, Callixenus, Pythocles, Pythias, Timocles und Metrodorus der Maler
und Philosoph, die aber Plinius unter die vorigen Künstler herunter setzet; und dieses ist das letzte Alter
der eigentlichen griechischen Kunst.
b. BESCHREIBUNG DES STURZES DIESES HERCULES. In diese Zeit, glaube ich, müsse Apollonius,
des Nestors Sohn, aus Athen, und Meister des so genannten Torso im Bel[742]vedere, d. i. des Sturzes
von einem ruhenden und vergötterten Hercules gesetzet werden; wenigstens muß dieser Bildhauer einige
Zeit nach Alexander dem Großen gelebet haben: denn die Form ω des Omega (Ω) in dem Namen dieses
Künstlers findet sich nicht vor jenes Königs Zeit, sondern zu erst auf Münzen der Könige in Syrien. Das
älteste öffentliche Werk aber, wo dieser Buchstab also geformt erscheinet, ist ein schönes auswärts hohl-
gereiftes Gefäß, im Museo Capitolino, welches nach der Inschrift auf dem Rande desselben Mithridates
Eupator, der letzte und berühmte König von Pontus, in ein Gymnasium geschenket hatte: denn diese
Orte wurden mit solchen Gefäßen ausgezieret1. Außer der Inschrift, die dieses anzeiget, lieset man eben
daselbst in Heineren und cursiv Buchstaben die Worte ευφα δίασωζο, welches bisher nicht verstanden
ist, und vermuthlich heißen soll ευφαλαρον δίας, bewahre es rein und glänzend: denn εύφάλαρον wird
vom glänzenden Pferdegeschirre gebrauchet2.
Auf das äußerste gemishandelt und verstümmelt, und ohne Kopf, Arme und Beine, wie diese Statue
ist, zeiget sie sich noch itzo denen, welche in die Geheimnisse der Kunst hinein zu schauen vermögend
1 Polyb. L. 5. p. 429. B.
2 Hesych. in φάλαρα, εύφάλαρος. [743]

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