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Winckelmann, Johann Joachim; Balensiefen, Lilian; Borbein, Adolf Heinrich [Hrsg.]; Kunze, Max [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Hrsg.]; Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Winckelmann-Gesellschaft [Hrsg.]
Schriften und Nachlaß (Band 4,5): Statuenbeschreibungen, Materialien zur "Geschichte der Kunst des Alterthums", Rezensionen — [Mainz am Rhein]: Verlag Philipp von Zabern, 2012

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.58927#0078

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De ratione delineandi · Übersetzung

Die übrigen Reliefs dieser Art, die in Rom zu sehen sind und die die Schar der Antiquare den Griechen zuge-
wiesen hat, würde man ohne Zögern als etruskisch bezeichnet haben. Sehr alt scheint jenes Relief [GKDenkmäler
Nr. 838] zu sein, welches mit unzähligen anderen die Villa seiner Eminenz, des Kardinals Alessandro Albani
schmückt; ein Kupferstich am Ende dieser Abhandlung stellt es vor. Denkmäler, die [3] dem Alter nach als näch-
ste folgen, sind teils Altäre, wie zum Beispiel jener mit den Herkulestaten [GKDenkmäler Nr. 884]geschmückte
im Kapitol, teils Brunnenfassungen mit einer Öffnung, wie jenes sehr elegante, ebendort aufbewahrte Monument
mit den Bildern der 12 Götter [GKDenkmäler^r. 881] und Göttinnen, der Di Consentes. Weder die Altäre noch
die Brunnenfassungen haben wahrscheinlich die Römer aus Griechenland mitgenommen - um hier die besseren
Argumente zu verschweigen, die aus der Beschaffenheit der Bildwerke selbst abzuleiten sind, damit ich nicht mit
Recht zu weitschweifig werde: diejenigen, die für die Zeichnung besonders wichtig sind, werden der Reihe nach
vorgestellt. Dieses eine Monument werde ich - damit ich nicht mit leeren Händen zu werfen scheine - als ein
Beispiel ins Zentrum [der Erörterung] stellen: Unter jenen 12 Göttern [GKDenkmälerNr. 881] steht ein unbär-
tiger Vulkan dem Jupiter gegenüber im Begriff, die erhobene Axt auf dessen Haupt herabzusenken, damit Pallas
- im Schädel des Vaters der Götter empfangen — von dort herausspringen kann. Durch diesen unbärtigen Vulkan
verrät sich der Künstler als Etrusker, der die Gottheit der Handwerker als Jüngling gemäß der in seinem Volk und
bei den Ägyptern angenommenen Gestaltung hinstellt, wie wir ihn in derselben Funktion auf Schalen [GK
DenkmälerGG. 160] gezeichnet sehen, die aufgrund der Inschrift unzweifelhaft etruskisch sind, und auf einigen
ihrer Gemmen [GKDenkmäler Nr. 170]. Daher bildeten die Römer — ihre Religion wurde ihnen von jenen
[Etruskern] überliefert— denselben [Vulkan] unbärtig auf Münzen [GK Denkmäler Nr. 1258] ab, und auch eine
Lampe [GKDenkmäler Nr. 908] zeigt ihn als solchen dargestellt; dies ist anders sowohl bei den Dichtern der
Griechen als auch bei deren Künstlern der reifen und der vollkommenen Kunst.
[4] Leichten Fußes überginge ich hier gern ein Relief [GKDenkmäler Nr. 866] im Kapitolinischen Museum,
das mit dem Namen des Bildhauers Kallimachos beschriftet ist, da dies von geringer Glaubwürdigkeit zu sein
scheint, aber weil es vielleicht das einzige wäre, das unserer Meinung entgegenstehen könnte, möchte ich frei
heraus sagen, was ich denke. Es wurde in Horta [Orte] ausgegraben, einer Stadt einst Etruriens, dessen künstleri-
schen Geist es ganz und gar atmet; und ich kann bei diesem nichts herausfmden, was auch nur im mindesten den
Kallimachos zu erkennen gibt, von dem überliefert wird, „immer sich selbst bekrittelnd und der auf Grund seiner
übertriebenen Genauigkeit seinen Werken alle Anmut genommen habe“. Entweder wurde der Name des Bildhauers
schon in alter Zeit angebracht, so wie es bei dem Herkules [GKDenkmälerNr. 456] geschah, der mit dem einge-
ritzten Namen des Lysipp versehen, auf dem Palatin gefunden wurde und zu Florenz im Palazzo Pitti zu betrach-
ten ist, ein eines so großen Namens unwürdiges Werk; in derselben Weise hat die Hand eines antiken Fälschers
den Namen des Glykon bei einem anderen Herkules [GKDenkmäler Nr. 457] entehrt, der vor wenigen Jahren
von Rom nach Neapel ging. Oder sollte ich glauben, daß ein Kallimachos, wer auch immer jener sei, ein gewisses
älteres Vorbild imitiert hätte - Denkmäler solcher Nachahmung sind allerorts vorhanden; [sie entstanden] einmal,
indem man den Bildern der Götter gewissermaßen das Kennzeichen von Alter aufprägte, das zu einer tieferen
Verehrung anzuspornen pflegt, zum anderen, indem man Werke aufs genaueste kopierte, denen das Alter selbst
den Wert verschaffte.
 
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