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867

verjniegt fein wie'n Mops in’rt Dischkasten. Aber et jetzt »ich. Et bcwejen
Eenen janz besondere Jcdanken. Wat is nich Alles jcstorben un verdorben,
wer is nich wegjyagd von Weib un »lind, wat sind nich vor Existenzen
vernichtet worden, wieville blntije Thränen sind nich hinter Jefängnißmauern
jcwcent worden, — un det Alles, um den Staat zu retten, der, wie de
Bourgeoisie jeden Dag injeredet wurde, immer von eene Jefahr in de andere
von die Sozialdemokraten rinjestoßen wurde?! Sechste, Jacob, un Heike
stehen die Staatsretter da, hilflos wie det Kind bei'n Dreck, un sc sind so
schlau, wie se vorher waren, un de janzc Jeheimrathsweisheit is mit Ach
un Krach in de Briche jejangen.

Ja, Jacob, daran muß ick heile denken, un Du kannst janz dreiste von
mir sagen: „Bei Jotthilfen muß 'ne Schraube los sind" — det schad't nischt,
ick bin nu eenmal so, nn nfs meine ollen Dage werde ick mir janz jcwiß
ooch nich mehr ändern.

Aber ufsathmcn wollen wir nachher, un wenn der janzc Schnee ver-
brennt. Ick freie mir jetzt schon, wenn die olle Jardc wieder inrickt, un
wenn wir denn Heeren werden, >vie et die armen Deibels draußen jejangen
is. Del laß ick mir nn nich nehmen, an d e n Tag kann et 'ne olle Kuh
kosten, ick habe ja keene, also denn man immer druff. Un an Pnttkamcrn
nu Jhriug-Mahlow'n wollen wir denn ooch denken, un Tn kannst mir
vor'n ollen Nußknacker ansehen, wenn et vielleicht Sejenswinsche sind, die
bei die Jelejenhcit von meine Lippen kommen. Berjeben wollen wir viel-
leicht di Brieder, wat se uns Alles jedahn haben — aber versessen: ick kann
et mch, wen ick eenmal ns de Riebe habe, den habe ick uff de Riebe.

So ändert sich de Zeit, Jacob, aber wir ändern uns nich, det weeß
ick Wir bleiben, wat wir sind, nn da mag et bieten oder brechen. Et
kann sind, del man sich un de jreeßte Miehe jeden wird, um de dcitschen
Arbeetcr uff den faulen Leim zu locken, na, ick weeß bestimmt, det sich ver-
schiedene Leite lausig 'n Staar sehen werden. Davor sind wir in de letzten
zwölf Jahre denn doch ’n bisken zu Helle jeworden, un wenn se vielleicht
ooch '» Oogenblick de Peitsche ans de Hand lesen werden, um et mal mit
det berühmte Zuckerbrot zu versuchen: ick sage Dir, Jacob, daruff fallt ja
doch Kecnei mehr rin. Die Jeschichte haben se sich selbst verdorben, nn heit
zu Dage weeß jeder Arbeetcr, zu welcher Partei er jeheert, un wer et noch
mch weeß, na, vor den muß jesorgt werden, det er et ooch erfährt.

Un det is det Versprechen, wat mir uns Alle bei Abloof von det
Sozia listentcsetz ablejen wollen, det wir nich ruhen nn rasten wollen, bis
ooch in de letzte Proletarierwohnnng Licht un Uffklärung kommt — un wenn
wir un alle unsere Freinde in'» Lauf der Zeiten det nich fertig kriejen,
na, denn kennen wir uns bejraben lassen, denn sind wir verratzi.

Aber wir sind nich verratzi, nu den Kopp lassen wir nich hängen. Nich !

in de Hand, Jacob, oder nich in de In mniu, wie se in Franzeesch-Buchholz
sagen. Janz det konträre Jcjcntheil, wir haben Jrund jenug, um nn ooch
mal '» bisken dickneesig zu sein, denn unsere Bclvejung hat Erfolje errungen,
uff die wir stolz sein können. Det heeßt, bei alle Freide nn bei alle Zu-
versicht, die wir uns leisten können, wollen wir uns doch vor eenen däm-
lichen Nagel in Acht nehmen, un wir wollen unsere Feinde nich mit Jering-
schätzung behandeln. Un wir haben ville Feinde, Jacob, det werden wir
jetzt erst sehen, un ick jloobe, det det Wort von die „cenzijc reaktionäre Blasse"
jetzt erst recht seine Wahrheit beweisen wird. De nahe Zukunft wird et
vielleicht lehren, det ick recht habe: aber, Jacob, se sollen uns uff'n Posten
finden, ob bei Dag oder bei Nacht, det is mir schnuppe, nn ick jloobe,
Dir ooch.

Un nn, Jacob, laß det olle Sozialistenjesetz abschrammen, jicb det olle
Jespenst noch eenen orndllichcn Fußtritt mit Deine zarte Stiebelkens, nn
sehe Arm in Arm mit mir die neie, hoffentlich frohe, freie un freidije Zeit
entjejen, mit welchen Wunsch ick verbleibe

erjebenst nn mit ville Jrießc Dein treier

Jotthilf Nancke.

An'u Jörlitzer Bahnhof jlcich links.

-<£A5' Hvbelspähnr. 'Sv®-

Die Schwalben zieh» und die Störche ziehn fort,
Und im Frühling kehren sie wieder schon,

Doch wer nun nimmermehr wiederkchrt.

Das ist die Berliner Reichs ko m Mission.

In der Noth frißt der Teufel Fliegen. Wenn
die Roth aber so groß ist, daß er auch keine Fliegen
mehr hat, dann bringt er „Ent hüll urigen" über
Bonlanger in die Zeitungen.

* *

*

Nachdem das Fleisch der Rinder und
Schweine fortwährend im Preise steigt, ist zu
hoffen, daß auch die Knochen der Menschen
etwas iheurcr lverden und nicht mehr zu so nnverhältnißmäßig niedrigen
Lohnsätzen zu haben sind, wie bisher.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

bereitslehenden Zug. Als die Dampspfcife der Lokomotive das Signal er-
tönen ließ, ließ eine Dame aus einem Coupec erster Klasse ein fenerrothes
Taschentuch wehen. Schnüffling dies sehen und auf die Dame losstürzen,
war das Werk einer Sekunde. Der Zug mußte halten. Als die Dame

von Schnüffling arretiri
werden sollte, legitimirte
sie sich als die Frau des
Polizeipräsidenten.

Die Zahl der An-
zeigen, die er erstattete,
der Haussuchungen, die
er vornahm oder veran-
laßte, der Bersämm-
lungen, die er anslöstc,
war Legion. Daß er sich
in seinem Uebereiser
manchmal überstürzte,
oder wie man zu sagen
pflegt, einen Kapitalbock
Das schnurrigste Stückchen, was ihm

schoß, kann nicht Wunder nehmen
passirte, ist folgendes:

Eines Tages saß er im

Nebenzimmer einer Arbeilerwirthschaft und
hörte zwei Männer mit einander flüstern.
So spitzohrig er war, konnte er doch nur
einige Fetzen des Gesprächs vernehmen,
die keinen rechten Zusammenhang hatten.
Das Gespräch wurde immer erregter und
endlich hörte er deutlich die Worte: „II n d
wenn er auflöst, dann laß' ich die
Bomb« Platzen, so gewiß ich Fritz
heiße". Zufällig war auf jenen Abend
eine sozialdemokratische Wählervcrsamm-
lung angekündigt: Schnüffling sprang auf,
trat ins andere Zimmer und fragte den
Wirth nach den Namen der beiden,
worauf er forteilte und das übliche Ver-
fahren gegen die beiden in Szene setzen
ließ. Es wurde peinliche Haussuchung vor-
genommen, ohne daß sich eine Bombe vor-
fand. Die angckündigte Versammlung
wurde zum Voraus verboten und die
beiden Arbeiter sistirt. Bei der Vernehmung stellte sich folgendes heraus:
Der Arbeiter, welcher die revolutionäre Drohung ansgestoßen hatte, war
mit der Tochter eines Schnhmachermeisters verlobt und hatte erfahren, daß
der Vater seiner Braut die Verlobung anslösen wollte. Für diesen Fall

wollte er sich an dem Alten rächen und der eifersüchtigen Meisterin ein
Techtel Mechtel verrathcn, das der Alte unterhielt. Das halte er mit der
Bombe gemeint.

Der Herr Amtmann, ein kluger, den Arbeitern wohlgesinnter Beamter,
der von dem Uebereiser Schnüffling's nicht sonderlich erbaut war, mußte
selbst lächeln, als sich das Mißverständniß ausklärte.

Blau kann sich denken, welch' ein schwerer Schlag cs für Schnüffling
war, als der Reichstag auseinandcrglng, ohne das Sozialistengesetz erneuert
zu haben. Aber er tröstete sich mit der Hoffnung ans den nächsten Reichstag.
Doch es kam der 20. Februar, der das Kartell zertrümmerte, und ihm folgte
der 20. März, der den Vater des Sozialistengesetzes in dcn unfreiwilligen
Friedrichsrnhstand versetzte.

Das war für unseren Schnüffling zu viel. In seinem Kopfe, ivo cs
nie sonderlich hell ge-
wesen ist, wurde cs
immer dunkler. Seine
Gedanken fingen an, sich
zu verwirren. Er wurde
melancholisch und ward
oft von den seltsamsten
Halluzinationen und
Träumen heimgesucht und
erschreckt. Einmal malte
ihm seine verwirrte Phan-
tasie vor, er erblicke an
i einer Plakatsäule einen
| AufrufzurWahl derDele-
girtcn für den sozialdemo-
kratischen Parteitag. Er
j riß das Plakat ab. Sofort
trat sein Kollege Maier ans
ihn zu und nokirte ihn
wegen groben Unfugs.

Ein andermal sprang er Nachts auS dem Bett, trat an das Lager
seiner Frau und verlangte, sie möge Bebel's Frau hcrausgcben, die sie im
Bettstroh versteckt habe. Die arme Frau mußte anfstehcn und das ganze
' Bett hcrausnehmen, und hatte die größte Blühe, ihren Mann zur Besinnung
I zu bringen

In nenester Zeit soll sich der Zustand des Leidenden erheblich gebessert
haben und seine Freunde wollen wissen, daß die Verfügung des preußischen
Ministers des Innern vom tu. Juli an. die Regierungen, in der die Grund-
züge des Verhaltens der Polizeibehörden nach dem l. Oktober entwickelt
sind, diesen heilsamen Einfluß ans den Gemüthszustand des Herrn Polizei-
j kommissärs bewirkt habe.
 
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