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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 18.1925

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384 BESPRECHUNGEN.

Hypothese vollkommen mit all ihren Möglichkeiten annimmt . . ., der wird in der
Kunstgeschichte nicht nur die Geistesgeschichte der Menschheit lesen, er wird die
eine ohne die andre gar nicht mehr denken können.« Wie soll das aber nur möglich
sein, wenn die Frage, wie weit der Einfluß des Zeitgeistes den Künstlern beim
Schaffen bedeutsamer Form zu Hilfe kommt, eine Frage sein soll, die selbst der
Spitzfindigste niemals wird lösen können? (S. 36).

Neben dem, was leer und müßig genannt wurde, steht, wie zum Teil gezeigt,
manches Wort, das gut gesagt und gut zu lesen ist. Stünden nicht vor allem leere
und schiefe geschichtliche Urteile und Beurteilungen im Weg, dann möchte man die
Schrift jenen empfehlen, die erstmals aus persönlichen Gründen, ohne weitere wissen-
schaftliche Absichten, nur um über die gesellschaftlich üblichen Redewendungen hin-
auszukommen, über ästhetische Fragen nachdenken möchten. Über das, was Religion
ist, müßten sie selber besser Bescheid wissen.

München. Georg Schwaiger.

Werner Weisbach, Der Barock als Kunst der Gegenreformation.
Berlin, Verlag von Paul Cassirer, 1923.

Vor mehr als einem Menschenalter übergab der junge Doktor Heinrich Wölfflin
der Öffentlichkeit ein nicht sehr umfängliches Buch, dessen Titel lautete: »Renais-
sance und Barock«. »Die Arbeit ist ein Versuch nach jeder Richtung hin,« steht
im Vorwort. Heute zählt sie zu den wenigen klassischen Werken der Kunstwissen-
schaft. Mit Recht, denn sie lehrte uns »sehen«. Wölfflins Bestreben, durch eine
bis ins kleinste gehende Analyse jedes Kunstwerks die Stilgesetze zu ergründen,
denen es unterworfen ist und auf diesem und nur auf diesem Wege zu einer Ent-
wicklungsgeschichte der Stilformen zu gelangen, war die notwendige Reaktion auf
die Neigung unserer Väter, die Kunstgeschichte als eine Summe von Künstlerbio-
graphien aufzufassen, bedeutete ein bewußtes Sich-Abwenden von der Tendenz,
»zwischen der Phantasie der Künstler und den Zeitverhältnissen Beziehungen zu
konstruieren«. »Welche Brücke« — fragt Wölfflin — »leitet vom Jesuitismus zum
Barockstil hinüber? Kann man sich befriedigen bei der Vergleichung der hier und
dort bemerkbaren Richtung, die um die Mittel unbekümmert nur auf das große
Ziel hinstrebt?« Die Antwort auf diese Sätze bringt das nicht ganz leicht zu lesende,
aber ungemein kluge Buch Werner Weisbachs.

Man kann von einem Vergleiche der beiden Werke absehen. Sie haben nichts
miteinander gemein und infolgedessen ist das eine die Ergänzung des anderen.
Wölfflin beschränkt sich auf das Studium von acht Dezennien römischer Architektur-
entwicklung, Weisbach geht, allzuhastigen Schrittes vielleicht, an allen Baulichkeiten
vorüber, um die Wesenszüge festzustellen, die, natürlich bloß im Machtbereiche des
Katholizismus, unter der Herrschaft des Barock Statuen und Bilder, unabhängig vom
Orte ihres Entstehens, miteinander gemein haben. Zum letzten Male vergessen, wie
in den frommen Tagen des Mittelalters, die katholisch gebliebenen Völker, was sie
trennte, noch einmal siegte für kurze Zeit das Jenseits über das Diesseits und der
Barockmensch war, im Gegensatze zum Renaissancemenschen, nicht mehr der Sohn
einer Kommune, vielleicht der Angehörige einer Nation, jedenfalls aber und zwar
in erster Linie ein Christ, aber nicht, gleich dem gotischen Menschen, Diener der
triumphierenden, sondern Soldat der streitbaren Kirche. Lucifer und die Ketzer,
die seiner Fahne gehorchten, sie wollten das Heilandsbanner in den Staub treten.
die Kirche, die alleinseligmachende, rüstete zur Abwehr gegen Lutheraner und Cal-
vinisten, Heiden und Schwarmgeister, und auch die Kunst ward in ihren Händen
 
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