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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 18.1925

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Friedemann, Käte: Die romantische Kunstanschauung
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https://doi.org/10.11588/diglit.3820#0498

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DIE ROMANTISCHE KUNSTANSCHAUUNG. 4Q5

schließlich widmen, was eigentlich für jeden Menschen höchster Zweck
des Lebens ist1). Künstler ist derjenige, »dem es Ziel und Mitte des
Daseins ist, seinen Sinn zu bilden«, wobei es nur auf den Entschluß
ankomme, sich auf ewig von allem Gemeinen abzusondern«2).

Für den Romantiker ist alles Höchste jedem erreichbar, der von
der Sehnsucht danach erfüllt ist. »Wo Sehnsucht ist,« sagt Friedrich
Schlegel, »da ist auch Genie, und da der Keim dazu in jedem Menschen
vorhanden, und in keinem als ganz erstorben angesehen werden kann,
so ist es wohl nur der sittlichen Verwilderung zuzuschreiben, daß
nicht ein jeder Mensch Genie hat«11).

Wie unendlich fern steht diese Auffassung vom Künstlertum jener
anderen im 18. Jahrhundert durch die »Stürmer und Dränger« ver-
tretenen, die wir als »Geniekult« zu bezeichnen gewohnt sind. Für
den Romantiker ist der Künstler nicht ein Mensch, dem besondere
Privilegien zukämen, der mehr Anrecht auf Genuß habe, als gewöhn-
liche Sterbliche. Wenn der Romantiker dem Künstler eine Ausnahme-
stellung im Leben gewährt, die ihn über jede Kritik im profanen
Sinne des Wortes stellt, so wurde diese unbedingte Unterwerfung dem
Künstler nur deshalb zuteil, weil er selbst sich unbedingt unterwirft,
weil er nichts anderes zu sein begehrt, als das Werkzeug, durch das
die Gottheit sich der Welt zu erkennen gibt.

Gewiß ist dieser Entschluß zu völligem Verzicht auf jeden per-
sönlichen Vorteil nicht leicht, aber er gehört doch mehr ins Gebiet
des Sittlichen, als in das der großen natürlichen Begabung.

Und dann müssen wir noch eins im Auge behalten: Wenn die
Romantiker von der hohen Verehrung sprechen, die dem Künstler
gebühre, dann denken sie dabei wohl kaum jemals an sich selbst. Der
Künstler ist für sie nicht ihr eigenes Ich, sondern das Du, das ihnen
selbst zum Mittler des Göttlichen wird.

Es ist ganz auffallend, eine wie geringe Rolle in ihren Aussagen
über das Wesen der Kunst das Moment der Gestaltung des Stoffes,
das eigentlich Schöpferische spielt. Sie suchen in der Kunst die Har-
monie, die Erkenntnis, sie sind in der Erkenntnis das weibliche Ele-
ment, das sich von dem männlichen befruchten läßt, sie sind in der
Sehnsucht nach Harmonie und Schönheit der Mann, der seine Er-
gänzung und Erlösung im Weibe ersehnt. Ein stark Hermaphroditisches
lebt in ihnen, — aber sie sind fast niemals der starke Mann, der, sich

') F. Schlegel, Briefe an seinen Bruder August Wilhelm, herausg. v. Walzel.
Berlin 1890, S. 236.

2) Vgl. Ric. Huch, Blütezeit der Romantik. Leipzig 1916, S. 54.

3) F. Schlegel, Philosoph. Vorlesungen, herausg. v. Windischmann. Bonn 1837,
II, S. 59.
 
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