532 BESPRECHUNGEN.
Dialektik, worin alle einseitigen Begriffe sich auflösen, ist, poetisch gefaßt, tragisch.
Ebenhiemit ist aber auch Hegels System mitten im Komischen zu Hause; denn
dieses Umschlagen jeder einseitigen Größe, das in seiner Methode logisch vor sich
geht, bildet, sofern von dem affirmativen Resultate des logischen Prozesses abge-
sehen wird, das Komische, und man könnte den Wert des Hegeischen Systems auch
so bezeichnen, daß es ebenso tragisch als komisch sei, wie der Weltgeist« (S. 101).
Doch meldet sich schon hie und da ein Einwand. Die im Systemganzen des Philo-
sophen wurzelnden Begriffe passen Vischer nicht durchaus; er wünscht sie bis ins
Letzte hinein mit spezifisch-ästhetischem Gehalte zu füllen. »Ich glaube, der Satz,
daß im Ideal die höchste Idee sich ausspreche, muß erst als Resultat hervorgehen,
nachdem entwickelt ist, daß das Ideal zunächst allerdings nur diese oder jene Idee
enthalte« (S. 16). Ganz leise macht sich hier schon das echt philosophische Be-
dürfnis bemerkbar, aus dem heraus Vischers Ästhetik später zu einem selbständigen
Philosophiewerk geworden ist: das Bedürfnis, die ästhetischen Probleme
nicht auf einen logisch durchaus vorbereiteten Grund und Boden
zu stellen, sondern diese logischen Voraussetzungen auf ästhe-
tischem Gebiete mehr oder weniger neu zu überprüfen, zu ergänzen,
zu modifizieren.
Mit dem »Plan zu einer neuen Gliederung der Ästhetik« (1843), dessen Ver-
öffentlichung der Ausarbeitung des Handbuches unmittelbar voranging, 'hat Vischer
diese Selbständigkeit bereits vollkommen erreicht. Was hier gegeben wird, ist nicht
bloß ein vorläufiges System-Programm, sondern eine fortlaufende Hegelkritik und
— den Verfasser der späteren Selbstkritik ankündigend! — eine kritische Einord-
nung der Erstlingsschrift in das nunmehrige Gedankengebäude zugleich. An zwei
Punkten widerruft Vischer seine frühere Auffassung. Jean Pauls Einteilung in anti-
thetischen und synthetischen Witz (vorgetragen S. 136 ff) »läßt sich nicht halten«
(S. 166) und die beiden Formen des Humors (der unversöhnte und der versöhnte,
S. 146 ff.) genügen ihm nicht mehr (S. 167). Was aber Hegel anbelangt, so glaubt
er bei aller Verehrung »mehrere Punkte gefunden zu haben, auf welchen die Ästhe-
tik über die große Leistung des Meisters hinausgehen kann« (S. 159). Diese Punkte
sind von Wichtigkeit; denn sie bestimmen bereits die Entwicklungslinie, in deren
Verlauf sämtliche weiteren Arbeiten: das Hauptwerk, die Selbstkritik, die späteren
Vorlesungen und der Symbolaufsatz liegen.
Da ist zunächst die vollkommene Umgruppierung und Neuordnung derjenigen
grundlegenden Begriffe, die im Ersten Teile des Systemes der Ästhetik vorgetragen
werden müssen. Hegel »setzt, was erst bewiesen werden soll, als bewiesen aus
dem Systeme der Philosophie voraus, daß nämlich die wahre Wirklichkeit des
Schönen nur die Kunst sei; daher springt er über Alles, was dem Begriffe des Kunst-
schönen eigentlich vorangeht, mit zu großer Kürze weg« (S. 161). Hegels Erster
Teil handelt von der Idee des Kunstschönen und im Zusammenhang damit vom
Naturschönen und vom Ideal. Vischers Ansicht nach ist das »sowohl zu wenig als
zu viel« (S. 160). Zu wenig, weil der allgemeine Begriff des Schönen bereits zu
speziell gefaßt ist, weil er »eine Reihe von Momenten in sich schließt, welche Hegel
an diesem ihrem Orte gar nicht aufführt.« »Zu viel, weil bereits hier das Natur-
schöne und das Ideal abgehandelt wird, und daraus erfolgt zunächst ein weiteres
Zuwenig.« Diese Kapitel sind nämlich viel zu kurz behandelt: »es sind wesentliche
Sphären des Naturschönen übergangen, wie ich beweisen werde« (ebenda). »Hegel
hat hier einen wirklichen Fehler gemacht« (S. 169). Er »beschränkt nämlich die
Lehre von der Naturschönheit auf die Reiche der bewußtlosen Natur und schließt
die begeisterte Natur, die menschlich sittliche Welt davon aus.« Was aber an sich
Dialektik, worin alle einseitigen Begriffe sich auflösen, ist, poetisch gefaßt, tragisch.
Ebenhiemit ist aber auch Hegels System mitten im Komischen zu Hause; denn
dieses Umschlagen jeder einseitigen Größe, das in seiner Methode logisch vor sich
geht, bildet, sofern von dem affirmativen Resultate des logischen Prozesses abge-
sehen wird, das Komische, und man könnte den Wert des Hegeischen Systems auch
so bezeichnen, daß es ebenso tragisch als komisch sei, wie der Weltgeist« (S. 101).
Doch meldet sich schon hie und da ein Einwand. Die im Systemganzen des Philo-
sophen wurzelnden Begriffe passen Vischer nicht durchaus; er wünscht sie bis ins
Letzte hinein mit spezifisch-ästhetischem Gehalte zu füllen. »Ich glaube, der Satz,
daß im Ideal die höchste Idee sich ausspreche, muß erst als Resultat hervorgehen,
nachdem entwickelt ist, daß das Ideal zunächst allerdings nur diese oder jene Idee
enthalte« (S. 16). Ganz leise macht sich hier schon das echt philosophische Be-
dürfnis bemerkbar, aus dem heraus Vischers Ästhetik später zu einem selbständigen
Philosophiewerk geworden ist: das Bedürfnis, die ästhetischen Probleme
nicht auf einen logisch durchaus vorbereiteten Grund und Boden
zu stellen, sondern diese logischen Voraussetzungen auf ästhe-
tischem Gebiete mehr oder weniger neu zu überprüfen, zu ergänzen,
zu modifizieren.
Mit dem »Plan zu einer neuen Gliederung der Ästhetik« (1843), dessen Ver-
öffentlichung der Ausarbeitung des Handbuches unmittelbar voranging, 'hat Vischer
diese Selbständigkeit bereits vollkommen erreicht. Was hier gegeben wird, ist nicht
bloß ein vorläufiges System-Programm, sondern eine fortlaufende Hegelkritik und
— den Verfasser der späteren Selbstkritik ankündigend! — eine kritische Einord-
nung der Erstlingsschrift in das nunmehrige Gedankengebäude zugleich. An zwei
Punkten widerruft Vischer seine frühere Auffassung. Jean Pauls Einteilung in anti-
thetischen und synthetischen Witz (vorgetragen S. 136 ff) »läßt sich nicht halten«
(S. 166) und die beiden Formen des Humors (der unversöhnte und der versöhnte,
S. 146 ff.) genügen ihm nicht mehr (S. 167). Was aber Hegel anbelangt, so glaubt
er bei aller Verehrung »mehrere Punkte gefunden zu haben, auf welchen die Ästhe-
tik über die große Leistung des Meisters hinausgehen kann« (S. 159). Diese Punkte
sind von Wichtigkeit; denn sie bestimmen bereits die Entwicklungslinie, in deren
Verlauf sämtliche weiteren Arbeiten: das Hauptwerk, die Selbstkritik, die späteren
Vorlesungen und der Symbolaufsatz liegen.
Da ist zunächst die vollkommene Umgruppierung und Neuordnung derjenigen
grundlegenden Begriffe, die im Ersten Teile des Systemes der Ästhetik vorgetragen
werden müssen. Hegel »setzt, was erst bewiesen werden soll, als bewiesen aus
dem Systeme der Philosophie voraus, daß nämlich die wahre Wirklichkeit des
Schönen nur die Kunst sei; daher springt er über Alles, was dem Begriffe des Kunst-
schönen eigentlich vorangeht, mit zu großer Kürze weg« (S. 161). Hegels Erster
Teil handelt von der Idee des Kunstschönen und im Zusammenhang damit vom
Naturschönen und vom Ideal. Vischers Ansicht nach ist das »sowohl zu wenig als
zu viel« (S. 160). Zu wenig, weil der allgemeine Begriff des Schönen bereits zu
speziell gefaßt ist, weil er »eine Reihe von Momenten in sich schließt, welche Hegel
an diesem ihrem Orte gar nicht aufführt.« »Zu viel, weil bereits hier das Natur-
schöne und das Ideal abgehandelt wird, und daraus erfolgt zunächst ein weiteres
Zuwenig.« Diese Kapitel sind nämlich viel zu kurz behandelt: »es sind wesentliche
Sphären des Naturschönen übergangen, wie ich beweisen werde« (ebenda). »Hegel
hat hier einen wirklichen Fehler gemacht« (S. 169). Er »beschränkt nämlich die
Lehre von der Naturschönheit auf die Reiche der bewußtlosen Natur und schließt
die begeisterte Natur, die menschlich sittliche Welt davon aus.« Was aber an sich