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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 8.1913

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Laurila, Kaarle S.: Zur Lehre von den ästhetischen Modifikationen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3587#0021
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ZUR LEHRE VON DEN ÄSTHETISCHEN MODIFIKATIONEN. ] 7

Nur ist nicht jedes Ding gleichmäßig dazu geeignet. Es gibt Grade
der ästhetischen Wirkungsfähigkeit. Und jedenfalls gehören die eben
erwähnten Erscheinungen zum untersten Ende der Skala ästhetischer
Wirkungsfähigkeit. Wem aber würde es einfallen, das Bürgerliche Ge-
setzbuch, ein geometrisches Problem oder die Börsenberichte deshalb
»häßlich« zu nennen? Es wäre jedenfalls eine grobe Verkennung des
Wortsinnes. Wie man auch den Begriff des Häßlichen genauer be-
stimmen mag, von subjektiver Seite aus betrachtet bezeichnet das Wort
doch allemal etwas, was unlustvoll wirkt. Hingegen ist es für die
oben erwähnten und anderen ähnlichen »unästhetischen« Erscheinungen
eben charakteristisch, daß sie überhaupt keinen Gefühlseindruck
machen, das Gefühl überhaupt nicht in Bewegung setzen oder daß
sie dies wenigstens in einem relativ sehr geringen Grade und nur
vorübergehend tun. Sie beschäftigen ja hauptsächlich nur unseren
Verstand und unseren Willen. Sie als »häßlich«, d. h. Unlust erweckend
zu bezeichnen, ist also auch dem Sinn nach vollständig verkehrt. Die
richtige Bezeichnung für sie ist gerade das Prädikat »ästhetisch un-
wirksam« oder noch richtiger: ästhetisch relativ unwirksam, denn
das sind sie.

Man kann nun noch teleologisch die Zugehörigkeit des Häßlichen
zum Umkreis des Ästhetischen begründen. Die große biologische Be-
deutung des ästhetischen Reichs besteht darin, daß wir durch das ästhe-
tische Verhalten den Sinn der Erscheinungen und des ganzen Daseins
auf eine grundsätzlich neue Weise erfahren. Beim ästhetischen Ver-
halten erleben wir unmittelbar den eigenen, reinen Gefühlswert der
Erscheinungen. Wenn wir uns theoretisch verhalten, erfahren wir
— oder wir suchen wenigstens zu erfahren —, was die Dinge durch
ihre Beziehungen und in ihren weit verzweigten Kausalzusammenhängen
sind. Es ist also der mittelbare (nämlich durch Begriffe vermittelte)
objektive (d. h. nicht persönlich auf uns bezogene) Wert der Dinge,
den wir beim theoretischen Verhalten erfahren. Jonas Cohn bezeichnet
diesen Wert kurz und meiner Ansicht nach ganz treffend als den
konsekutiven Wert (Allgemeine Ästhetik S. 23). Wenn wir uns
praktisch verhalten, erfahren wir auch nur einen Beziehungswert der
Dinge, aber diesmal einen Wert, der direkt oder indirekt auf unsere
persönlichen Zwecke, Ziele und Strebungen bezogen ist. Beim ästheti-
schen Verhalten dagegen handelt es sich um den Wert, den die Dinge
als solche haben, abgesehen von ihren Beziehungen sowohl zuein-
ander wie zu uns. Jonas Cohn nennt diesen Wert den intensiven
Wert. Man kann also sagen, daß wir eigentlich beim ästhetischen
Verhalten die Bedeutung und den Wert der Erscheinung am unmittel-
barsten erfahren.

Zeitschr. f. Ästhetik u. Mg. Kunstwissenschaft. VIII. 2
 
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