ÜBER DIE FORMEN DER DRAMATISCHEN UND EPISCHEN DICHTUNG. 203
lung für die Novelle sehr wesentlich ist, zeigt sich auch schon daraus,
daß die meisten und gerade die echtesten Novellenautoren ihre Stoffe
nochmals von einem Erzähler innerhalb der Novelle vor Publikum vor-
tragen lassen, während Romane wohl als Tagebuch, Briefe, Chro-
niken usw. gehen, fast immer jedoch als Geschriebenes, nicht Ge-
sprochenes. Natürlich aber müssen dann, wenn die Geschichte direkt
als mündlich erzählt eingeführt wird, die oben angeführten Stilmomente
besonders scharf hervortreten, wenn das Ganze nicht lächerlich un-
natürlich wirken soll. In einer mündlich erzählten Novelle würden
breite, mit vielen Einzelheiten beladene Dialoge, psychologische Ana-
lysen oder gar jene in Romanen so häufigen Einlagen gedanklicher,
wissenschaftlicher usw. Natur unmöglich wirken. Der Leser hätte
dann das Gefühl, daß die Zuhörer in der Novelle den Sprecher be-
ständig unterbrechen müßten mit Zurufen: zur Sache! oder ähnlich.
Freilich braucht heutzutage, wo der Novellenstil als fertig geprägtes
Modell vorliegt, dem einzelnen Dichter das nicht immer bewußt zu
sein, aber die Stilkriterien setzen sich darum bei einem guten Werke
doch durch.
Wenn bloß die Länge oder Kürze maßgebend wäre für den Stil-
unterschied, so müßte man ja leicht aus einem Zusammenarbeiten von
Novellen einen Roman erhalten. Das aber ist unmöglich. Eine No-
velle ist nicht ein kurzer Roman, sondern ihre ganze innere Struktur
ist anders.
Darum kann man auch das Verhältnis von Novelle und Roman
nicht etwa dem von Ballade und Epos gleichsetzen. Der Stilunter-
schied der beiden ersten ist größer als der der beiden letzteren. Der
Roman ist von vornherein ganz anders gedacht als die Novelle, wäh-
rend das Epos aus Balladen zusammengeschweißt, respektive eine
auseinandergezogene Ballade ist, die noch immer die Stileigentümlich-
keiten der Urform bewahrt hat.
Allerdings sind ja gerade in der Prosaerzählung Stilgefühl und Stil-
reinheit etwas ganz besonders Seltenes, was zum Teil daher rührt,
daß diese Dichtungsgattung in einer sonst ganz unmöglichen Weise
zu allerlei nichtkünstlerischen Zwecken herhalten muß, so daß man
geneigt sein kann, mit Schiller im Roman nur einen Halbbruder, und
zwar einen recht unebenbürtigen, der Poesie zu sehen.
Eine besondere Form der Prosaerzählung hat sich in neuester Zeit
in der »Skizze« herausgebildet. Soweit sie künstlerischen Wert hat,
pflegt sie ihre Reize aus besonderer Stimmungsfeinheit zu schöpfen,
so daß man in ihr etwa eine Prosaauflösung des lyrischen Gedichtes
sehen könnte, die etwa gleichzusetzen wäre mit der Prosaauflösung
des alten Epos. Eine feste Form hat sich jedoch trotz Turgeniew,
lung für die Novelle sehr wesentlich ist, zeigt sich auch schon daraus,
daß die meisten und gerade die echtesten Novellenautoren ihre Stoffe
nochmals von einem Erzähler innerhalb der Novelle vor Publikum vor-
tragen lassen, während Romane wohl als Tagebuch, Briefe, Chro-
niken usw. gehen, fast immer jedoch als Geschriebenes, nicht Ge-
sprochenes. Natürlich aber müssen dann, wenn die Geschichte direkt
als mündlich erzählt eingeführt wird, die oben angeführten Stilmomente
besonders scharf hervortreten, wenn das Ganze nicht lächerlich un-
natürlich wirken soll. In einer mündlich erzählten Novelle würden
breite, mit vielen Einzelheiten beladene Dialoge, psychologische Ana-
lysen oder gar jene in Romanen so häufigen Einlagen gedanklicher,
wissenschaftlicher usw. Natur unmöglich wirken. Der Leser hätte
dann das Gefühl, daß die Zuhörer in der Novelle den Sprecher be-
ständig unterbrechen müßten mit Zurufen: zur Sache! oder ähnlich.
Freilich braucht heutzutage, wo der Novellenstil als fertig geprägtes
Modell vorliegt, dem einzelnen Dichter das nicht immer bewußt zu
sein, aber die Stilkriterien setzen sich darum bei einem guten Werke
doch durch.
Wenn bloß die Länge oder Kürze maßgebend wäre für den Stil-
unterschied, so müßte man ja leicht aus einem Zusammenarbeiten von
Novellen einen Roman erhalten. Das aber ist unmöglich. Eine No-
velle ist nicht ein kurzer Roman, sondern ihre ganze innere Struktur
ist anders.
Darum kann man auch das Verhältnis von Novelle und Roman
nicht etwa dem von Ballade und Epos gleichsetzen. Der Stilunter-
schied der beiden ersten ist größer als der der beiden letzteren. Der
Roman ist von vornherein ganz anders gedacht als die Novelle, wäh-
rend das Epos aus Balladen zusammengeschweißt, respektive eine
auseinandergezogene Ballade ist, die noch immer die Stileigentümlich-
keiten der Urform bewahrt hat.
Allerdings sind ja gerade in der Prosaerzählung Stilgefühl und Stil-
reinheit etwas ganz besonders Seltenes, was zum Teil daher rührt,
daß diese Dichtungsgattung in einer sonst ganz unmöglichen Weise
zu allerlei nichtkünstlerischen Zwecken herhalten muß, so daß man
geneigt sein kann, mit Schiller im Roman nur einen Halbbruder, und
zwar einen recht unebenbürtigen, der Poesie zu sehen.
Eine besondere Form der Prosaerzählung hat sich in neuester Zeit
in der »Skizze« herausgebildet. Soweit sie künstlerischen Wert hat,
pflegt sie ihre Reize aus besonderer Stimmungsfeinheit zu schöpfen,
so daß man in ihr etwa eine Prosaauflösung des lyrischen Gedichtes
sehen könnte, die etwa gleichzusetzen wäre mit der Prosaauflösung
des alten Epos. Eine feste Form hat sich jedoch trotz Turgeniew,