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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 8.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.3587#0307
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BESPRECHUNGEN. 303

strichen und in allen Weltaltern auf dieselbe Harmonie abgestimmt ist, das ist
doch wohl das größte unter allen Wundern des menschlichen Bewußtseins.«
(II, 430.)

In dieser Ästhetik wie in allen früheren Werken Hermann Cohens weht der
große Atem der Philosophie. Wenn die Selbstzersetzung des Empirismus, der heute
als landläufige Denkweise die Katheder beherrscht, noch um ein weniges fortge-
schritten ist, dann wird man einzusehen beginnen, wieviel die Philosophie der Zukunft
von Hermann Cohen zu lernen hat.

München. Paul Stern.

Florentinische Introduktion zu einer Philosophie der Architektur
und der bildenden Künste von Leopold Ziegler. 8°. 194 S. mit
Abbildungen. Felix Meiners Verlag, Leipzig.

Das Buch ist der Ausdruck eines Menschen, der sich einige Wochen in Florenz
wohlgefühlt hat, und streckenweise ein fast künstlerischer Ausdruck; nicht nur in
einzelnen Schilderungen wie von der florentinischen Natur und einer florentinischen
Nacht (S. 62 ff.) — auch in dem gesättigten Tone des Ganzen. Es geht etwas voll
Befriedigtes durch die Seiten, eine Reisestimmung höchsten Grades, die keine
Eile kennt, kein Ziel und keine Sorge hat; wo man nicht arbeiten muß, wohl
aber arbeiten mag. Er findet einmal das Wort, in jener toskanischen Nacht: »Es
ist, als sei das Ich ein übervoll geschenkter Becher, dessen Inhalt über die Ränder
schäumt«. Dieses Gefühl hat er nicht verschäumen lassen, sondern mit Ruhe und
Freude gesammelt in einen andern Becher, in dieses Buch. Man kann sich recht
gut andere Italienfahrer von gleich entwickelter Geistesbildung denken, die dennoch
ihren Lebensverhältnissen zufolge nicht zuinnerst diese Mußestimmung finden, auch
in Florenz; sie werden versöhnt sehn, wie hier jemand die Stimmung der Muße,
die aus jedem Worte glänzt, in edler Weise verwertet hat.

Auch bei der Komposition des Buches fühlte der Autor in solcher Umgebung
den Antrieb, seinem Vortrag künstlerischen Zusammenhang zu geben. Nachdem er
über einige Hauptwerke der florentinischen Baukunst manches gesagt, was gründ-
liche Beachtung verdient und über Gotik und allgemein südliche Bauweise unsere
Vorstellungen bereichern kann, fügt er einen kurzen Abschnitt über die Umgebung
der Stadt Florenz ein und kehrt dann aus der Natur zur Kunst, nun zur Plastik
zurück. Dieser Erörterung folgt ein sehr abstrakter »Vorstoß in das dunkelste
Problem der Philosophie der Künste«, das Problem der Entstehung eines ästhetischen
Wertes aus der artistischen Funktion, worin der Neuplatonismus einen breiten
Raum einnimmt. Dann findet er von der Kombination der beiden bereits betrachteten
Künste, der Architektur und der Plastik, einen angenehmen Übergang zur Malerei,
indem er zuerst nun ihre Vereinigung mit der Baukunst ins Auge faßt; und er
weiß schließlich das Ganze heiter mit einem Andenken an Gozzoli zu verab-
schieden.

Ich möchte den Inhalt des Buches hier nicht ausbreiten, weil es wirklich ge-
nossen zu werden verdient, ich will daher nur anführen, worüber es spricht: über
Brunelleschis Domkuppel, mit wertvollen Allgemeinbemerkungen über das Ästhetische
an der Baukunst, dann über den Palazzo Pitti und San Spirito, über Ghibertis
Reliefkunst und den Plastiker Brunelleschi, über Michelangelo (namentlich Cappella
Medici, Grablegung und Juliusgrab), dann von Masaccio und Gozzoli. Ausblicke
auf Marees (bei Michelangelos Torsen), Hinweise auf den Rhythmus in der primi-
tiven Musik und der primitiven Malerei bereichern den Inhalt.

Überall sind seine Maßstäbe sehr hoch, sehr streng und sicherlich auch
 
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