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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 8.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.3587#0631
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Besprechungen.

Julius Hart, Revolution der Ästhetik als Einleitung zu einerRevo-
lution der Wissenschaft. Erstes Buch: Künstler und Ästhetiker. 317 S.
Berlin, Concordia Deutsche Verlagsanstalt, 1909.
Das Buch ist eine Sammlung von Aufsätzen, in welchen Hart seinen bekannten
extrem sensualistisch-nominalistischen Standpunkt, eine Art Neuauflage der Feuer-
bachschen Erkenntnistheorie, ^entwickelt. In einigen dieser Aufsätze ist von Ästhetik
gar nicht die Rede und sucht der Verfasser seine Leser nur im allgemeinen von
der Wertlosigkeit der Vernunfterkenntnis und von der Verkehrtheit der auf Begriffs-
bildung ausgehenden Wissenschaft zu überzeugen, in anderen, wie in der Studie
»Vom Ursprung der Ästhetik«, wird erst durch eine jähe Wendung zum Schlüsse
die Überschrift notdürftig gerechtfertigt, während früher auch nicht mit einer Silbe
der Gegenstand berührt wurde, der nach dem Titel des Essay hätte erörtert werden
sollen. Die genannte Abhandlung, welche zunächst auf die Einleitung folgt, also
gewissermaßen das erste Kapitel des Buches vorstellt, umfaßt im ganzen etwa
34 Seiten: auf 32 Seiten tut Hart der Ästhetik überhaupt nicht Erwähnung und
zieht er lediglich gegen die »monistische«, d. h. Einheit im Denken schaffende Ver-
nunfterkenntnis zu Felde, bis er endlich auf der vorletzten Seite des Aufsatzes mit
den Worten: »Und so entstand auch die Ästhetik als Kind dieser neuen Einheits-
und Vernunftweltanschauung« den Übergang zu seiner angeblichen Materie findet,
die er nun genau in sechs Sätzen erledigt. Zwar weist der Schluß der Studie von den
angeführten Worten an noch acht Sätze auf; aber von diesen kehren die zwei letzten
wieder zu den allgemeineren Ideen zurück, welche vorher dargelegt wurden, so daß
das Verhältnis zwischen Überschrift und wirklichem Inhalte der Abhandlung einen
beinahe komischen Eindruck macht. Offenbar also betrachtet und behandelt der
Verfasser die Revolution der Ästhetik als Nebensache: es kommt ihm auf die uni-
verselle Revolution der Wissenschaft an und die Kritik der bisherigen Philosophie
des Schönen zusamt der Begründung einer neuen Methode für die Auffassung
des Schönen und der Kunst hat für ihn bloß den Wert eines Exempels; sie dient
ihm nur dazu, die Richtung zu zeigen, in welcher sich jene allgemeine Umwälzung
notwendig wird vollziehen müssen.

Weshalb jedoch Hart sich gerade die Ästhetik zum Tummelplatz auserkoren
oder, höflicher geredet, zum Demonstrationsobjekte gewählt hat, an welchem er die
Unfruchtbarkeit der alten, überlieferten und die hohen Vorzüge seiner eigenen,
neuen Wissenschaftsmethode auseinandersetzen will, wird aus verschiedenen, teils
äußeren, persönlichen, teils inneren, allgemeinen Gründen erklärlich. Ein äußerer
Grund liegt vor allem darin, daß der Verfasser selbst ein Belletrist von Ruf, ein
angesehener Vertreter jenes literarischen Produktionszweiges ist, welcher in erster
Linie ästhetische Werte hervorzubringen beabsichtigt. So salopp die Darstellungs-
weise der »Revolution der Wissenschaft« im ganzen erscheint, so stößt man doch
auch in diesem Buche gar nicht selten auf Stellen, in welchen sich eine nicht
geringe Dichterbegabung verrät und echte poetische Anschauung zum Ausdruck
 
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