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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 8.1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.3587#0662
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BESPRECHUNGEN. 655

Man wird schon aus diesen kurzen Andeutungen entnehmen, daß Gramms
Buch, wenn auch in seiner Anlage und Gliederung nicht eben glücklich, doch unter
großen Gesichtspunkten aufgefaßte, wichtige und anregende Untersuchungen ent-
hält, die zur Bereicherung der kunstwissenschaftlichen Betrachtungsweise nach der
ästhetischen Seite hin wertvolle Beiträge liefern. Ein Band mit 135 Abbildungen
und schematischen Zeichnungen erleichtert dem Leser das Verständnis der ein-
zelnen Bildanalysen; die Ausführung dieser Tafeln wie die ganze Druckerscheinung
der beiden Bände macht der Verlagshandlung alle Ehre.

Greifswald. Max Semrau.

Jos. Neuwirth, Illustrierte Kunstgeschichte. Allgemeine Verlags-Gesell-
schaft Berlin-München-Wien, 2 Bde.

Werke dieser Art entspringen einem Verlegerbedürfnis, nicht dem Schriftsteller-
drange. Und die »Idee« einer zweibändigen Kunstgeschichte, als erwünschtes
Mittelglied zwischen den bekannten mehrbändigen Werken und den kurzen Kom-
pendien, lag wohl schon längst in der Luft. Sie in die Tat umzusetzen, war Joseph
Neuwirth gewiß der richtige Mann. Sein enzyklopädisches Wissen, seine in ähn-
lichen Aufgaben bewährte solide und ausgeglichene Darstellungsweise geben auch
diesem neuen Werke das Gepräge. Ohne in der Gliederung oder Behandlung des
Stoffes neue Bahnen einzuschlagen, trägt es die Geschichte der Kunst im ersten
Bande bis zur Renaissance, im zweiten bis zur Gegenwart vor. Was bei der Lek-
türe von Stichproben etwa auffällt, wie die mitunter unerfreuliche Belastung jedes
einzelnen Satzes mit Namen und Daten und die vorwärtsdrängende Eile der Dar-
stellung auch an Stellen, wo ein längeres Verweilen erwünscht sein könnte — das
liegt in der Natur der Aufgabe und ihrer Abgrenzung. Einzelnen kleinen Schön-
heitsfehlern, wie daß von »neolithischer« Kunst gesprochen wird, bevor die Schei-
dung von Stein- und Metallzeit erörtert ist, oder daß als einzige Abbildung des
Doms zu Speyer eine Ansicht der modernen Westvorhalle gegeben wird, soll kein
Gewicht beigelegt werden. Die sehr reiche Illustration des Werkes ist sonst ge-
schickt ausgewählt und fügt sich zumeist dem Texte recht gefällig ein. Die in
Farbenautotypie ausgeführten Tafeln dagegen lassen manches zu wünschen übrig.

Greifswald.

____________ Max Semrau.

Die differentielle Psychologie in ihren methodischen Grundlagen.
Von William Stern. Leipzig, J. A. Barth, 1911. gr. 8°. IX u. 503 S.

Dies Buch steht an Stelle der zweiten Auflage eines elf Jahre vorher er-
schienenen und inzwischen vergriffenen Werkes. Die ältere Schrift war ein Aus-
blick in die Zukunft, war ein Versprechen gewesen, die neue Schrift gibt die
Grundlegung der jungen Wissenschaft, und sie ist — im vollsten Sinne des Wortes —
grundlegend.

Über das Ganze sei nur so viel gesagt, daß es die Methodik und die allge-
meinen Fragen der differentiellen Psychologie behandelt: zuerst die Verfahrungs-
weisen zur Feststellung des psychologischen Materials, dann die Lehre von den
seelischen Verschiedenheiten und schließlich die Lehre von den Individualitäten.
Es ist leicht zu sehen, wie viele Berührungen mit der Ästhetik und Kunstwissen-
schaft sich ergeben. Beispielsweise beim Begriff des Übernormalen. Indem Stern
davon ausgeht, daß Norm kein statistischer, sondern ein teleologischer Begriff ist,
nennt er übernormal »solche Personen und persönliche Eigenschaften, deren Ziel-
setzung nicht in der reaktiven Anpassung, sondern in der Steigerung des Vorhandenen
 
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