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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 9.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.3043#0132

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126 BESPRECHUNGEN.

der nach jeder Richtung vollendetste Ausdruck von Zusammenfassung und
Einheit in Linien- und Lichtbehandlung, d. h. nach dem Verfasser als
Barock darstellt. Seine Auffassung der Entwicklungstendenz in der Architektur läßt
sich etwa durch den Gleichungsansatz ausdrücken Renaissance : Barock = Assozia-
tionsbau : Einheitsbau = Brunelleschi: Alberti = Bramante : Michelangelo usw.

Das abschließende dritte Kapitel, hauptsächlich wieder auf dem Studium
Michelangelos aufgebaut, sucht die Resultate der vorangehenden Betrachtungen für
die künstlerische Gestaltung der weiteren und weitesten Umgebung des Indivi-
duums in dem oben schon kurz erläuterten Sinne zu ziehen und stellt als Zentral-
begriff des Barocks die Illusion hin, »nicht als täuschende Nachahmung des Wirk-
lichen, sondern als frohbewußter Übertritt in eine andere Welt«. — Die Aufgabe
der Kunstwissenschaft, die ihm am Herzen liegt, spricht der Verfasser hier am
bündigsten in dem Satze aus (S. 218): »Die Kunstwissenschaft will und soll sich be-
scheidentlich stets dessen bewußt sein, womit sie es zu tun hat; sie soll sich, wie
jede Wissenschaft, gewissenhaft an die Erscheinungsform halten, aus ihr ergründen,
wie das Problem liegt, und daraus die Methode, nach der das einzelne Werk ge-
schaffen ist, allenfalls die Methodik des einzelnen Meisters feststellen; alles ohne
Rücksicht auf Anlehnungen, Entleihungen oder Berücksichtigung kulturhistorischer
Zustände«; und in der Einleitung heißt es ähnlich: »Ästhetik ist nicht Kulturwissen-
schaft. In dieser Unvoreingenommenheit liegt das Kriterium von ,Reinheit', die
für das der Ästhetik reservierte Gefühl gefordert wird.« — Gewiß ist es jeder Art
von Kunstbetrachtung förderlich, in diesem Sinne immer wieder an die Grund-
probleme alles Lebens und Schaffens zurückgeführt zu werden; ob das in dem hier
geforderten Umfange immer und überall möglich ist, bleibt eine Frage, zu deren
Lösung der mit glänzendem Rüstzeug ausgestattete Verfasser hoffentlich bald durch
weitere Untersuchungen beiträgt, wie er sie »über die Möglichkeit stilistischer Tren-
nung und nationaler Sonderung, mit besonderer Berücksichtigung der deutschen Bau-
kunst« in Aussicht stellt. Nur möchten wir den bescheidenen Wunsch ausdrücken,
daß sie ihrer Form nach geringere Ansprüche an die Geduld des Lesers stellen
mögen, als dieses erste Dokument einer ideologischen Kunstwissenschaft.

Greifswald.

Max Semrau.

Bela Läzär, Die beiden Wurzeln der Kruzifixdarstellung. Straßburg,
J. H. Ed. Heitz, 1912. 41 S., 8 Abb.

Der Titel des Buches verspricht eine ikonographische Studie zur Kunstgeschichte
des christlichen Mittelalters, um so mehr ist derjenige, der über das Problem der
Gestalt hinaus (ich gebrauche das Wort Gestalt im Sinne meines Lehrers Strzy-
gowski) sich für die psychologische Genesis eines Kunstwerkes an sich interessiert,
überrascht und erfreut, in dem Läzärschen Buche einen wichtigen und ursprüng-
lichen Beitrag zur Erklärung der Kunstschöpfungen aller Zeiten, nicht zuletzt der
modernen Kunst, zu finden. Fast die Hälfte seiner Arbeit geht der Kunsterkenntnis
nach. Wir besprechen diesen Teil der theoretischen Aufstellungen, denn die Frage
der Kruzifixdarstellung interessiert nur Spezialisten.

Gibt es in der Kunst eine organische, stufenförmig fortschreitende Entwicklung,
die darauf hinzielt, einen stetigen Fortschritt zu geben, der von einem flüchtigen
kombinierten Erinnerungsbild zu immer exakteren Naturstudien und schließlich zur
Wiedergabe des augenblicklichen Netzhautbildes führt? Wenn ja, darf man die
Epochen, in denen die künstlerische Darstellung der Natur keine neuen Resultate
aufweist, als Ruhepausen bezeichnen? Diese Fragen hatte Professor Dworak in
 
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