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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 9.1914

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Scholz, Wilhelm von: Das Schaffen des dramatischen Dichters
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https://doi.org/10.11588/diglit.3043#0182

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VIII.

Das Schaffen des dramatischen Dichters1).

Von

Wilhelm von Scholz.

Die Leitung des Kongresses hat mir, der ich mich nur als Gast
der Wissenschaft betrachten darf, die Aufgabe meines Vortrages so
vorgeschlagen, daß ich Ihnen eine Darstellung des Wesentlichen geben
möge, was mir bei meinem eigenen dramatischen Schaffen auffällt.
Ich werde also einen psychologischen Bericht erstatten über die Folge
derjenigen Momente, aus denen die schließlich vollendete Arbeit her-
vorgeht, die ihr Erlebtwordensein in das Werk hineinschreiben oder,
wenn Sie wollen, seine Entwicklungsstufen sind. Alle subjektiven und
vergänglichen Begleiterscheinungen des Vorgangs, wechselnde Schaffens-
stimmungen und -gefühle, Übersteigerungen des Ichgefühles und innere
Zusammenbrüche, liegen dabei natürlich ganz außer Betracht.

Zunächst, ehe von der Anregung zu einem einzelnen Werke zu
sprechen ist, scheint mir der psychische Gesamtzustand des Drama-
tikers — des Mannes, der mit seinem Schaffen eins geworden ist, der
sich bewußt erzogen hat und unbewußt schon durch einige Werke
und ihr Schicksal erzogen worden ist — bemerkenswert. Er -ist ein
ständiges Spielen mit Geschehnissen und Charakteren. Er ist heute
ein Umdenken und Verbinden des eigenen Erlebens mit anderer Ver-
gangenheit, anderen Zusammenhängen, anderen Fernen; morgen ein
Umbilden von Personen, die uns begegnen, zu starker Ausgeprägtheit,
ein Vorstellen ihrer Möglichkeiten, wenn man sie sich aus den Zwängen
ihrer Konvention gelöst und durch andere Lebenslagen bedingt denkt.
Er ist ein Spiel mit Gefühls-, Vorstellungs-, Willensantithesen, die bald
dunkel, gefühlsmäßig, den Willen zerreißend als Entschlußkonflikt,
bald epigrammatisch-klar als unüberbrückbarer Gedankengegensatz,
bald unbegreiflich, mit seltsamer Mischung von Sinn und Zufall, als
Schicksal erscheinen. Dabei verwandeln sich die Gefühle des Drama-
tikers der Welt und dem Leben gegenüber — was er allerdings wohl
mit allen Künstlern teilt — von den naiven Gefühlen fort in der Rich-
tung auf die ästhetischen zu. Das Leben um ihn nimmt für den
Dramatiker den Charakter des Schauspiels an, des Schauspiels nur auf

') Vortrag, gehalten auf dem Berliner Kongreß.
 
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