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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 9.1914

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BESPRECHUNGEN. 269

dogmatisch auf dem Schauplatz. So anregend die schlicht und klar geschriebene

Abhandlung ist, anders Denkende dürfte sie schwerlich überzeugen.

Friedenau.

Max Frischeisen-Köhler.

Heinrich Bulle, Der schöne Mensch im Altertum. Eine Geschichte des
Körperideals bei Ägyptern, Orientalen und Griechen. 320 Tafeln, 210 Ab-
bildungen im Text. München und Leipzig, G. Hirth's Verlag G.m.b.H.,
XXXVI u. 740 S. Zweite, ganz neu bearbeitete Auflage.
Wilhelm Hausenstein, DernackteMensch in derKunstallerZeiten
und Völker. Mit mehr als 700 Abbildungen. München, R. Piper und
Co., 1913. 4°. VI und 675 S.
Vor kurzer Zeit noch erfreute sich die stoffgeschichtliche Betrachtung großer
Beliebtheit; mit regem Eifer forschte man den Wandlungen eines Motivs nach.
Das Thema war ein bestimmter Inhalt; und seine Veränderungen bildeten die
Variationen. Da setzte der Kampf um das Formproblem der Kunst ein, um ihre
Gestaltungsprinzipien. Die Inhalte entquellen dem allgemeinen Kulturleben, aber
die Form entwächst der immanenten Gesetzlichkeit der Kunst. Erst von dieser
Seite aus eröffnet sich ihr eigenes, nur ihr angehöriges Reich. Aber die Schroffheit
der entgegengesetzten Standpunkte mußte in eine versöhnende Einheit einmünden,
denn in sich waren beide zur Unfruchtbarkeit in höherem Sinne verurteilt. Die
stoffgeschichtliche Betrachtung konnte strahlende Kulturbilder aufrollen, doch das
»Künstlerische« verschloß sich ihr: die Qualität des Kunstwerkes. Daß in den
Werken eines Watteau oder Fragonard die Rokokogesellschaft treu sich spiegelt,
daß der Impressionismus eines Manet oder Monet einem naturwissenschaftlich-
demokratischen Zeitalter entspricht, mag richtig oder falsch sein; aber das begründet
nicht die Meisterschaft jener Künstler. In gewisser Hinsicht lebt ja auch in den
Riesenbildern A. v. Werners die ereignisschwere Epoche der Reichsgründung, und
doch sind sie wahrlich keine künstlerischen Höhenleistungen. Also der »Stoff«
allein führt nicht tief genug in die Kunst hinein, er löst gleichsam von ihr nur eine
Schicht ab, die letzten Endes als oberflächlich erscheint; das eigentliche Wesen
wurzelt nicht in ihr. Und da wagte man den kühnen Sprung zur Form, zur reinen
Form unter möglichster Ausschaltung des Stofflichen. Sicherlich glüdrten nun vor-
her nicht geahnte Einsichten in den Strukturaufbau des Kunstwerkes: seine räum-
lichen, linearen, farbigen Elemente wurden nach allen Seiten hin zergliedert und in
ihren Beziehungen klargelegt, der Rhythmus und die Komposition usw. Aber was
bedingt denn eigentlich die ganze Formgestaltung? woher rührt ihre Notwendig-
keit? Man blieb einfach im Tatsächlichen. Diese Formmerkmale zeichnen Watteau
und Fragonard aus, und jene Manet und Monet. Und wollte man über diese Steck-
briefe hinaus, so begnügte man sich zum Teil mit den primitiven Erklärungen von
Abstumpfung und Erholung, um überhaupt die merkwürdige Erscheinung des Form-
wandels irgendwie begreiflich zu machen. Erst ganz allmählich reifte die Über-
zeugung, daß eben diese Formbestimmtheiten von einem gewissen Geist, von einem
gewissen Lebensgefühl durchtränkt sind, und daß hier der Samen ruht, der den
Aufbau der Pflanze vorzeichnet. Also man drang wieder zum Menschen vor, zu
dem eigentümlichen Wollen einer Zeit, das in ihren verschiedensten Betätigungen
ausstrahlt und sich auswirkt. Nur haschte man nicht mehr nach den nackten Stoffen,
sondern nach der gestaltenden Stellungnahme zur Welt, nach dem Formgesetz.
Nun war man in die Möglichkeit versetzt, Stilfolgen aufzuhellen, und verharrte doch
im Kunstwerk, weil man von innen kam und nicht nur von außen anklopfte. Aber
 
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