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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 9.1914

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Werner, Alfred: Zur Begründung einer animistischen Ästhetik, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3043#0512

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ZUR BEGRÜNDUNG EINER ANIMISTISCHEN ÄSTHETIK. 501

So mag derjenige, der ästhetischen Genuß zergliedert, sich mit der
Beschreibung zuständlicher und gegenständlicher Bestimmtheitsbeson-
derheiten begnügen. Dennoch weiß schon jeder Genießer, es mag
sich nun um ästhetischen oder irgendwelchen Körpergenuß handeln,
daß er es ist, der genießt. Darum muß auch die oft nicht »bemerkte«
Subjektbestimmtheit ausdrücklich erwähnt werden. Als die Besonderheit
der vierten unverlierbaren Bewußtseinsbestimmtheit, des »psychologi-
schen Denkens«, endlich weist das ästhetische Bewußtsein stets »Ver-
eintes« auf, mag es nun ein Gemälde, eine Plastik, ein Schauspiel oder
eine wirkliche Landschaft genießen. »Vereinteshaben« fehlt beim ästhe-
tischen Bewußtsein niemals, tritt jedoch nicht in den Blickpunkt des
Bewußtseins.

Folgendes Schema mag die Bestimmtheitsbesonderheiten des ästheti-
schen Bewußtseins angeben.

1. Zuständliche Bewußtseinsbestimmtheit: Lusthaben.

2. Gegenständliche Bewußtseinsbestimmtheit:

a) maßgebendes: Vorstellung der Gefühle und Stimmungen der
Kunstseele haben;

b) begleitendes: Körperempfindungen haben.

3. Denkende Bewußtseinsbestimmtheit: Vereinteshaben.

4. Subjektbestimmtheit.

Ein ästhetisches Bewußtsein ist demnach durch die zuständliche,
denkende, gegenständliche Bestimmtheit in ihren Besonderheiten und
endlich durch die Subjektbestimmtheit völlig beschrieben. Das Grund-
legende und Wesentliche aber, aus dem heraus das »Ästhetische« ge-
boren wird, bietet das gegenständliche Bewußtsein: Vorgestellte, einem
vorgestellten anderen Bewußtsein, nämlich der Kunstseele, zugehörige
Gefühle, oder Stimmungen, sofern sie in willenloser Betrachtung ge-
nossen werden, nennen wir »ästhetisch«. Das Bewußtsein, das dieses
Gefühl oder diese Stimmung vorstellt, ist und heißt das ästhetische
Bewußtsein.

Die Gefühls- und Stimmungsvorstellungen liefern den Ansatz der
animistischen Ästhetik. Aus den Gefühls- und Stimmungsvorstellungen
gilt es, die Besonderungen des Ästhetischen, wie schön, häßlich, tra-
gisch usw. zu gewinnen.
 
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