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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 9.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.3043#0124

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11 g BESPRECHUNGEN.

die positiven Ergebnisse der Gallingerschen Begriffsanalyse. Die Gegenstände, von
denen wir Möglichkeit prädizieren, sind Sachverhalte oder Objektive1). Einem Ob-
jektive, das als möglich bezeichnet wird, ist es wesentlich, iii einer bestimmten Art
von Seinsverknüpfung mit einem anderen Objektive zu stehen. Die drei Seinsver-
knüpfungen, die der Verfasser mit einiger Umständlichkeit entwickelt, decken sich
mit den in der Logistik bekannten Beziehungen der Implikation des b durch a, ver-
bunden mit Nichtimplikation des non-b durch non-a, der Implikation des non-b
durch non-a, verbunden mit Nichtimplikation des b durch das a, und der Implikation
des b durch a, verbunden mit Implikation des non-b durch non-a (also Äquivalenz
von a und b), wenn a und b Objektive bedeuten. Die zweite von diesen Rela-
tionen, vom Verfasser als negative Seinsverknüpfung bezeichnet, ist nun wesentlich
für eine Möglichkeit. Sofern ein b möglich ist, besteht immer dazu ein a, dessen
Nichtsein das Nichtsein von b mit sich führen würde, indes das Sein des a nicht
mit dem Sein des b verknüpft ist: es ist also eine nicht zureichende Teilbedingung
des Seins von b vorhanden, zum mindesten darin bestehend, daß eine zureichende
Bedingung des Nichtseins von b nicht zutrifft. Dieser Tatbestand macht aber, wie
schon berichtet worden ist, den Sinn der Aussage »b ist möglich« noch nicht aus.
Er wird darin gefunden, daß in einer Erkenntnis (daß a ist) ein objektives
Motiv vorliege zur Erkenntnis des Seins des b, oder: ein einsichtiger Sach-
verhalt (daß a ist) begründet partiell (und nur partiell) eine Einsichtigkeit des
Sachverhaltes (daß b ist), den wir infolgedessen möglich nennen. Damit ist der
»Möglichkeitszusammenhang« als eine (objektive) Motivationsbeziehung zwischen
Erkenntnissen (nicht Erkenntniserlebnissen, also wohl Erkenntnisobjektiven) oder
als Einsichtigkeitsbeziehung zwischen Objektiven in Anspruch genommen, und das
Möglichsein selbst ist demnach eben das partiell begründet sein (eines Objektivs)
in einem evidenten Objektiv.

Diese Fassung des Möglichkeitsbegriffes — die im Zusammenhang mit inter-
essanten Untersuchungen über Grund und Folge, Motiv und Motivation entwickelt
wird — ist nicht den Einwendungen ausgesetzt, die gegen die subjektive Fassung
zu erheben waren; denn Einsichtigkeit ist nicht die Möglichkeit, von dem und dem
Subjekte eingesehen zu werden, noch weniger das Eingesehenwerden selbst, son-
dern eine objektive Eigentümlichkeit eines Objektives. Sie unterliegt auch nicht
dem Einwände, der gegen die Definition durch das Vorhandensein von Teilbe-
dingungen entscheidet; denn sofern ein einsichtiger Sachverhalt a die Einsichtigkeit
eines Sachverhaltes b partiell und nur partiell begründet, ist die Aussage, b sei
möglich, im Rechte, gleichviel ob sich nachträglich herausstellt, daß b Tatsache ist,
also alle Bedingungen für sein Zutreffen erfüllt waren (ohne einsichtig zu sein) oder
daß b tatsächlich nicht besteht, also alle Bedingungen seines Nichtseins vorhanden
waren (ohne einsichtig zu sein). Allerdings darf man nicht behaupten, das Nicht-
wissen um einen Grund des Nichtseins begründe (objektiv) die Aussage der Mög-
lichkeit, wohl aber begründet die objektive Tatsache der Nichteinsichtigkeit des
Nichtseins rein objektiv die Berechtigung eines Möglichkeitsurteiles, d. h. sie be-
gründet eben die Möglichkeit. Ein sehr beachtenswerter Tatbestand, in Anbetracht
der immer wieder aufgeworfenen Frage, ob ein Nichtwissen zu einer Möglichkeits-
aussage berechtige.

Angreifbar scheint mir zunächst die Bestimmung, Möglichkeit (des Seins) im-
pliziere Möglichkeit des Nichtseins oder Nichtnotwendigkeit. Es ist richtig, daß
die Behauptung, etwas sei möglich, uns nicht befriedigt, wenn wir die Tatsächlich-

') Im Sinne Meinongs. Vgl. Über Annahmen, 2. Aufl., a. a. O. § 13.
 
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