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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 12.1917

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Sterzinger, Othmar: Das Steigerungsphänomen beim künstlerischen Schaffen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3621#0075

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III.

Das Steigerungsphänomen beim künstlerischen

Schaffen.

Von
Othmar Sterzinger.

Die Selbstbeobachtungen, auf denen nachstehende Ausführungen
fußen, sind Überwiegendenteils zu München im Sommersemester 1914
entstanden; einige wenige in der darauffolgenden Zeit. Der Versuchs-
personen, von denen die eine zurzeit nicht genannt sein will, sind
zwei: sie haben beide psychologische Bildung genossen. Die andere
ist der Verfasser selbst. Der Bereich des künstlerischen Schaffens
war mit wenigen Ausnahmen auf das eingeschränkt, was letzterem
schon in seiner Arbeit über »Die Gründe des Gefallens und Miß-
fallens am poetischen Bilde«1) als das einfachste Glied im künstle-
rischen literarischen Werke erschienen ist: nämlich auf das poetische
Bild. Da das Schaffen im allgemeinen nicht erzwungen werden kann,
sondern sich, wenn auch oft in nicht sehr weiten zeitlichen Grenzen,
spontan einzustellen pflegt, so war die Belästigung der Versuchs-
person naturgemäß eine sehr große. Sie mußte sozusagen ständig
auf der Lauer sein, und was noch schwerer wiegt, sie mußte, um
den Vorgang in den verschiedenen Stadien beobachten zu können, oft-
mals mitten im »begnadeten Augenblick« den Vorgang abbrechen und
das Bild in seinem Keime töten. Die Aufzeichnung wurde entweder
von den Versuchspersonen selbst oder von ihrem Begleiter steno-
graphisch gemacht. Diejenigen Bilder, welche wenigstens zu irgend
einem sprachlichen Ausdruck gediehen sind, wurden ohne Rücksicht
auf das Urteil des Schaffenden einer ästhetischen Beurteilung unter-
worfen. Sie wurden mit Bildern von bekannten neueren und neuesten
Dichtern (G. Keller, R. Dehmel, H. v. Hoffmannsthal, R. M. Rilke, Max
Dauthendey) vermengt und nach dem bekannten Dreiklassenschema2)

') Archiv f. d. ges. Psychologie Bd. 29, 1913, S. 16 ff.

-) Sehr gefällig (3), mäßig gefällig (2), etwas gefällig (1). gleichgültig (0), un-
entschieden (?), etwas mißfällig (—1), mäßig mißfällig (—2), sehr mißfällig (—3).

Der starke Prozentsatz der Mißfälligkeitsurteile überhaupt geht vornehmlich auf
den zweiten Beurteiler zurück.
 
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