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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 12.1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.3621#0151

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Besprechungen.

A.Schmarsow, Kompositionsgesetze in der Kunst des Mittelalters.
9 Abbildungen und 3 Tafeln im Text, dazu eine Mappe mit 18 Tafeln.
175 S. 8°. Verlag B. G. Teubner. 1915.

Eine Ergänzung und zugleich eine Anwendung seiner »Grundbegriffe der Kunst-
wissenschaft« gibt A. Schmarsow in seinem Werke »Kompositionsgesetze in der Kunst
des Mittelalters«. Schmarsow zeigt auch hier, daß er dem Kreise der Kunsthisto-
riker angehört, welche die Notwendigkeit einer psychologisch gerichteten Kunst-
wissenschaft erkannt haben. Es ist ihm als Verdienst anzurechnen, wenn er als
einer der ganz wenigen bis zu den »Grundbegriffen« hinabsteigt, um eine ein-
deutige Terminologie und zugleich das Verständnis für zusammengesetzte Erschei-
nungen zu gewinnen. Wenn man der Kunstbetrachtung und -beschreibung den
Namen einer Wissenschaft streitig machen will, so liegt das wohl vor allem an der
sorglosen Art, mit der man einen Wust von Vorurteilen, eine Fülle ungeprüfter
Behauptungen über die einfachsten Begriffe in kompliziertere Untersuchungen über-
nommen hat. Schmarsow steigt als echter Wissenschaftler zu den »^iC<üp-axa iz&vtmv*
h nab, ohne bei leeren Abstraktionen stehen zu bleiben.

Der erste Teil der »Kompositionsgesetze« gibt eine Grundlegung, in der zu-
nächst eine Orientierung im Räume überhaupt mit Hilfe der Begriffe der Richtung,
der Reihung, der Symmetrie und Proportionalität, des Rhythmus, der Sichtbarkeit
und Tastbarkeit geboten wird. Ein eigenes Kapitel ist dann der altchristlichen
Basilika gewidmet. Es folgt die Behandlung des eigentlichen Gegenstandes, des
romanischen Kirchenbaus, eine Anwendung der soeben genannten Begriffe auf
konkrete Beispiele, deren Besonderheiten zugleich dargetan werden.

Der wejentlichste Begriff für jede architektonische Komposition und für das
Verständnis eines komplizierten Raumgebildes überhaupt ist der Rhythmus. Er ist
das gemeinsame künstlerische Wirkungsmittel in Mimik, Musik, Poesie und Architektur.
Seine Grundlage ist allein die menschliche Körperbewegung. ». . . Die Grundlage
des Rhythmus ist und bleibt, wie wir eben jetzt gegenüber allzu vorschnellen Seiten-
sprüngen in die Akustik zur Geltung bringen, die menschliche Körperbewegung,
der Rhythmus des Ganges, der Betätigung unserer Arme, der Atmung und was
sonst unserem beweglichen Organismus an rhythmischer Anlage mitgegeben ward«
(S. 87). Um ein Raumgebilde zu begreifen und zu genießen, genügt nicht die ge-
naue Betrachtung des Planes, sondern ein Durchschreiten ist die unerläßliche Voraus-
setzung. Das Durchschreiten wiederum ist nichts anderes als eine besondere Be-
wegung; Bewegung aber, so sagt Schmarsow auch hier ganz im Sinne der Rehmke-
schen Grundwissenschaft, ist immer Ortsveränderung. Diese ist stets mit einer
Richtung zusammengegeben, d. h. in unserem Fall mit einer »Tiefenbewegung von
uns aus«. Bei der altchristlichen Basilika bedeutet das: »Die Ortsveränderung der
ins Gottteshaus eingetretenen Christen nach dem Ziel im Allerheiligsten drinnen ist
ein spontanes Erlebnis; sein Wollen, seine Sehnsucht ergießt sich in diese Be-
wegungsbahn und verfolgt die gerade Linie des vorgezeichneten Weges in vollster

Zeitschr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. XII. 10
 
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