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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 12.1917

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Ettlinger, Max: Shakespeares Äußerungen über Kunst in ihrem Verhältnis zur humanistischen Pseudoaristotelik
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https://doi.org/10.11588/diglit.3621#0150

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144 BEMERKUNGEN.

Auch nicht der kleinste Kreis, den du da siehst,
Der nicht im Schwünge wie ein Engel singt
Zum Chor der hellgeaugten Cherubime.
So voller Harmonie sind ew'ge Geister,
Nur wir, weil dies hinfäll'ge Kleid von Staub
Ihn grob umhüllt, wir können sie nicht hören.«
Der Dichter, in dessen Innerstem jene höheren Harmonien widerklingen, der
Mann, der »Musik hat in ihm selbst«, vermag wie Orpheus Bäume, Felsen, Fluten
zu lenken,

»Weil nichts so stöckisch, hart und voll von Wut,
Das nicht Musik auf eine Zeit verwandelt«.
Aber alle irdische Geisterbeschwörung gibt am Ende ihre Zaubermacht willig dem
höheren Meister zurück und Prospero-Shakespeare nimmt Abschied:;

»Grüfte, auf mein Geheiß,
Erweckten ihre Toten, sprangen auf
Und ließen sie heraus, durch meiner Kunst
Gewalt'gen Zwang; doch dies grause Zaubern
Schwör' ich hier ab; und hab' ich erst, wie jetzt
Ich's tue, himmlische Musik gefordert,
Zu wandeln ihre Sinne, wie die luft'ge Magie
Vermag: so brech' ich meinen Stab,
Begrab' ihn manche Klafter in die Erde,
Und tiefer als ein Senkblei je geforscht
Will ich mein Buch ertränken.«
Alle Dichtkunst, so sollte es erst in der Zeit, da Shakespeare uns Deutschen
ganz zu eigen wurde, voll wiedertönen und tiefer begriffen werden, ist »Magie«.
Nur wer allenthalben Geist, Leben, Seele sieht, kann sie mit schöpferischem An-
ruf beschwören; kann gleich Meister Prospero über alle Naturmächte gebieten und
edles, wie niederes Wesen nach seinem Willen lenken. Wie durch magische Ge-
walt, so klingt auch des Dichters anderes Alterswerk, das »Wintermärchen«
aus, wird die Kunst »selbst wieder Natur«, das tote Abbild gewinnt Leben und
steigt Hermionen gleich, von der Musik erweckt, leibhaftig zu dem Liebenden herab.
 
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