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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 12.1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.3621#0358

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Bemerkungen.

Zur Erinnerung an Richard Wallaschek.

Am 24. April dieses Jahres starb, einsam und in anspruchsloser Zurückgezogen-
heit, wie sein ganzes Leben verlaufen war, der Professor der Musikwissenschaft,
Tonpsychologie und Musikästhetik an der Wiener Universität, Dr. Richard Wal-
laschek. Wer die stattliche Reihe von Abhandlungen und Büchern, welche der
Dahingeschiedene der Wissenschaft und mit ihr uns allen, die wir auf diesem
Gebiete arbeiten, als wertvolles Vermächtnis hinterlassen hat, kennt und durch-
gearbeitet hat, der weiß, welch reiches Wissen und Können, sowie welch gediegene
Leistung unermüdlicher Forscherarbeit in ihnen steckt und welch selbständiger, an
Anregungen wie Ergebnissen gleich reicher Gelehrter in Wallaschek der Wissen-
schaft entrissen worden ist. Wer aber, wie Schreiber dieser Zeilen, Gelegenheit
hatte, mit dem Verewigten durch nahezu zwei Jahrzehnte in persönlichem Verkehr
zu stehen — zuerst, in den Jahren 1896—1899, als sein Schüler, dann, seit 1904,
als selbständiger Mann und wissenschaftlicher Arbeiter —, der weiß, daß mit Wal-
laschek nicht bloß ein ausgezeichneter Forscher und Denker dahingeschieden ist,
sondern auch ein überaus vornehmer, reiner Charakter, eine durchaus gütige Persön-
lichkeit, die gänzlich selbst-, rückhalts- und neidlos anerkannte und förderte, wo sie
etwas fand, was ihr des Lobes und der Aufmunterung wert erschien, und die — bei
aller ihr eigenen Milde und bescheidenen Zurückhaltung — dennoch ganz ent-
schieden, fest, ehrlich und mannhaft für alles eintrat, was sie der Förderung würdig
erachtete. Alle diese Züge, gepaart mit der denkbar anspruchslosesten Schlichtheit
des Auftretens — einer Einfachheit, die jede Phrase, jeden Überschwang, jede Pose
aus tiefster Seele verabscheute — und mit einer rührenden, bis zur (inneren) Unzu-
gänglichkeit (nicht bloß dem Fremderen und Fernerstehenden gegenüber) gesteigerten
Bescheidenheit, Selbstlosigkeit und Scheu, von sich zu reden oder nur irgendwie
die eigene Persönlichkeit Gegenstand der Aufmerksamkeit werden zu lassen, das
scheinen mir die Hauptlinien zu sein, in die sich die Umrisse dieser so wohltuen-
den Erscheinung, des Menschen wie des Gelehrten, für die erste, flüchtige Zeich-
nung zusammenfassen lassen. Aber freilich bedurfte es längerer, näherer Bekannt-
schaft und regeren persönlichen Verkehrs, um allmählich ein Bild dieser scheinbar
so einfachen und schlichten, und eben deshalb in Wirklichkeit durchaus nicht so
leicht zu erfassenden Persönlichkeit und ihres tiefinnerlichen Kernes, des lauteren
Charakters, zu gewinnen. Und wenn daher in den folgenden Zeilen der Versuch
gemacht werden soll, wenigstens in den allgemeinsten Umrissen ein Bild der Per-
sönlichkeit Wallascheks als Mensch wie als Gelehrter festzuhalten, wie es sich mir
nach einem nahezu zwanzigjährigen persönlichen Verkehr mit dem Verewigten er-
schlossen hat, so muß ich zur Entschuldigung für das, was ich vielleicht irrig auf-
gefaßt haben sollte und was daher jemand, der den Dahingeschiedeneu besser
kannte, zu korrigieren weiß, auf den bereits vorhin erwähnten Grundzug im Wesen
Wallascheks hinweisen: seine Verschlossenheit und seine bis zur Scheu, auch nur
 
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