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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 12.1917

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Besprechungen.

Max Ettlinger, Die Ästhetik Martin Deutingers in ihrem Werden,
Wesen und Wirken. Jos. Kösel'sche Buchh., Kempten.
Max Ettlinger sucht in seinem Buche die Aufmerksamkeit auf ein System der
Ästhetik zu lenken, das bisher nicht die Beachtung gefunden hat, die ihm gebührt.
Eduard von Hartmann ist der einzige namhafte Ästhetiker, der ihm eine eingehende,
und, mit gewissen Vorbehalten, voll würdigende Beurteilung in seiner »Geschichte
der Ästhetik seit Kant« zuteil werden läßt.

Die Eigenart und Erstmaligkeit des Deutingerschen Standpunkts beruht darauf
daß er, als katholischer Theologe und Priester, es unternimmt seine Kunstlehre
hineinzustellen in den Zusammenhang einer Philosophie, die fest verankert ist in
den Prinzipien des Christentums, zwar nach katholischer, nicht aber nach streng
scholastischer Auffassung. Ein zweites Merkmal seines Systems ist der wohl auch
hier zum ersten Male unternommene Versuch, eine Kunstphilosophie zu begründen
auf dem Studium und in enger Verbindung mit der Geschichte der Kunst. Deu-
tinger erstrebt also die Vereinigung der empiristischen mit der idealistischen Me-
thode, und betritt damit einen neuen Weg gegenüber den geistigen Einflüssen, die
seine Studien und seinen Lebenskreis beherrschten.

Es waren die persönlichen Beziehungen des Schülers zu den von ihm hoch-
verehrten Lehrern Baader, Schelling, Görres, und es war das Studium der Ästhetik
Hegels, die den Grund bilden auf dem, in vielfacher Anlehnung zwar, doch ebenso
sehr in selbständigem Anders- und Weiterdenken, sein eigenes System sich erhob.
Deutinger bekämpft den von Descartes erneuerten Dualismus von Innen- und
Außenwelt, von Geist und Stoff; über diesem Doppelproblem steht ihm die Einheit
des Lebens, die im letzten Grunde ruht in Gott und Gott ist Persönlichkeit. Das
Prinzip der Persönlichkeit steht ihm als erstes Prinzip am Anfang alles Seins und
in diesem Prinzip sind die Grundkräfte vereinigt, durch deren Entfaltung der Stoff
der Welt bemeistert wird. In der menschlichen Persönlichkeit, deren Urgrund die
göttliche ist, finden sich, gleichwertig, die Kräfte des Denkens, Könnens und Tuns.
Die Grundlage aller drei Funktionen ist die menschlich-persönliche Dreieinigkeit von
Leib, Seele und Geist.

Wie in gegenseitiger Durchdringung und eigenständiger Arbeit von Denken,
Können und Tun die Freiheit der Persönlichkeit sich herausbildet aus der Unfrei-
heit des Gegebenen und des Stoffs, so ist im Geistigen das Prinzip gegeben, auf
dem die Möglichkeit dieser Freiheit beruht, gegenüber der noch im Leiblichen und
Sinnlichen gebundenen Triebkraft der Seele.

Auf dem Können beruht nun die künstlerische Tätigkeit des Menschen; es ist
Bewegung von Innen nach Außen, Darstellung der inneren Anschauung im äußeren
Bild, Objektivierung eines Subjektiven. Es ist die königliche, vollkommen selb-
ständige Gewalt des Geistes, mittels deren er der äußeren Welt das Gepräge seines
inneren Lebens aufdrückt; im Verein mit dem Denken wirkt es die Freiheit des
Geistes gegenüber dem Stoff, die, im vollendeten Kunstwerk, die vollkommene Über-
 
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