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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 12.1917

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Besprechungen.

Friedrich Jodl, Vom Lebenswege. Gesammelte Vorträge und Aufsätze. In
zwei Bänden. Herausg. von Willi. Boerner, Stuttgart, J. G. Cottasche Buchh.
Nachf., 1916 u. 1917. XIII u. 551 S.; VII u. 707 S.
Diese Sammlung dient dem Andenken eines liebenswerten und aufrechten
Mannes, eines klugen und vielseitigen Gelehrten. Sie enthält Beiträge zur Philo-
sophie in ihrem ganzen Umfange, berührt aber mehrfach auch die Literatur- und
Kunstgeschichte; die Entstehung der Beiträge fällt in die Jahre 1879—1913. Wenn
wir uns auf die unserem Gebiet zugehörigen Aufsätze beschränken, so ist aus dem
ersten Bande bloß eine Abhandlung hervorzuheben: »Grillparzers Ideen zur Ästhetik«.
Sie stammt aus dem Jahre 1900 und beginnt mit dem Satz: ;>Ästhetischen Unter-
suchungen ist unsere Zeit im allgemeinen wenig günstig gestimmt«, nämlich wegen
der vorwiegend geschichtlichen Auffassung der Kunst. Jodl kämpft nicht gegen
jene Abneigung, aber er widerlegt sie durch eigene ästhetische Gedankenbildung
von sicherem Wert; ich finde sehr hübsch, wie er den Grundsatz Part pour Part
von der abgeschmackten Forderung Part pour les artistes unterscheidet, oder wie
er den Gegensatz des schaffenden und des nachdenkenden Bewußtseins im Künstler
hervorhebt. Von hier aus öffnet sich ihm der Weg zu Grillparzers ästhetischen
Reflexionen. In Grillparzer lebte neben einem nachtwandlerisch schaffenden Dichter
>ein Verstandesmensch der zähesten, kältesten Art« und diesem verdanken wir eine
Reihe von Aufzeichnungen zur Kunstlehre. Sie zeigen, daß der Ästhetik in Rück-
sicht auf das Schaffen die Bedeutung zuerkannt wird, Künstler und Kritiker vor dem
ganz Verkehrten zu bewahren; in Rücksicht auf die Erkenntnis wird ihr die Haupt-
aufgabe zugeteilt, den angeschauten Gegenstand von der Form zu trennen d. h.
von dem Inbegriff der Mittel, die den Gedanken in seiner vollen Lebendigkeit auf
andere übertragen. Als eine ungemein feine und treffende Einsicht rühmt Jodl die
Lehre, daß die Kunst, die auf Nachahmung nicht verzichten könne, durch diese
Wirklichkeitsnähe sich von der Religion begrifflich scheide. Auch Grillparzers Mei-
nung vom Symbolischen findet Billigung. Hiernach stellt die Kunst weder den
Begriff der Sache -,iQch die Sache selbst »an die Spitze ihres Beginnens, sondern
ein Bild der Wahrheit, eine Inkarnation derselben, die Art und Weise, wie sich das
Licht des Geistes in dem halbdunklen Medium des Gemütes färbt und bricht«.

Der zweite Band bringt eine grundsätzliche Erörterung, die Jodl anzustellen
sich verpflichtet fühlte, als er im Jahre 1902 das Lehramt der Ästhetik an der Wiener
technischen Hochschule übernahm. Wiederum wendet er sich gegen das Unter-
fangen, die Kunst zum Geheimbesitz der Künstler zu machen. Mit guten Gründen
bekämpft er die Scheu der Kritiker vor der Ästhetik. Denn mag auch der geborene
Kritiker ein Wunder nachbildender Phantasie sein — darf man deshalb die zufällige
Empfänglichkeit des Einzelnen zum höchsten Gerichtshof erheben? Erst die Ästhetik
gibt der Kritik eine wissenschaftliche Grundlage, und sie tut das, indem sie »vom
Empirischen, Geschichtlichen, zur Erkenntnis gesetzlicher Zusammenhänge und von
solcher Erkenntnis aus zu praktischen Regeln, zur Ausbildung gewisser Kriterien
 
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