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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 12.1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.3621#0262

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256 BESPRECHUNGEN.

schiedenen Materialmöglichkeiten entsprechend beurteilen zu können (S. 85). Er
tritt ein für die Ehrlichkeit in den Mitteln und weist ein »Herumklügeln und Herum-
witzeln mit Druckfarbe und Wischlappen« als außerkünstlerisch ab (S. 56), eine
Stellungnahme, die gerade gegenüber gewissen Tendenzen der Gegenwart wohl
am Platze ist; dabei läßt der Verfasser aber die maschinellen Tönungsmittel zu
(S. 75 f.). Besonders sei hervorgehoben das Kapitel »Strich und Ton« und das
folgende »Wege und Ziele«, das die Ästhetik des Verfassers in nuce enthält. Unsere
Meinung ginge nun dahin: es wäre wünschenswert, daß der Verfasser die Technik
und die Ästhetik mehr in eins verarbeitete, in der Weise, daß für die Mache soweit
als möglich in der künstlerischen Absicht und in der künstlerischen Wirkung der
tiefere Grund sich finden ließe, etwa nach den Andeutungen auf S. 83, 74 f., 76,
80, 85, 25. Einstweilen stehen für unseren Eindruck beide Komponenten so getrennt
nebeneinander, daß manches von dem, was über die Darlegung des Technisch-
Manuellen hinausgeht, rein dogmatischen Charakter hat, so wenn es heißt z. B.:
»bei fast keiner anderen Technik kann das Inhaltliche so unabhängig von manueller
Fertigkeit sprechen als bei der Radierung« (S. 80). Oder: »Was dem Pinsel oft
versagt bleibt zu bilden mit seinen reichen Mitteln, das . . . offenbart sich in der
Lapidarschrift der Nadel . . .« (S. 81): um solches nicht nur aufs Wort zu glauben,
sondern auf Grund der Unterweisung in der Technik auch selbst einzu-
sehen, dazu fehlen in ihr die Prämissen.

Durch die entsprechende Verbindung des. Technischen mit dem Ästhetischen
würde sich der Wert des Büchleins auch für den Kunstpraktiker erhöhen, besonders
aber für den Kunsttheoretiker. Auf letzteres sei an dieser Stelle der Nachdruck
gelegt: bekanntlich war es einer der ersten passus extra viam in der noch kurzen
Geschichte der (modernen) Ästhetik, daß sie zu wenig Fühlung mit dem Arbeiten
des Künstlers und seiner Technik nahm. So schreibt auch M. Klinger
(Malerei und Zeichnung, 3. Aufl., S. 40), daß »unser ganzes künstlerisches Empor-
ringen am Ende des vorigen und Anfang dieses Jahrhunderts nicht durch Künstler,
sondern durch Dichter und Schriftsteller hervorgerufen wurde. Diese besaßen zu
wenig Kenntnis von den praktischen Notwendigkeiten der Kunst, um nicht deren
zu einfache Grundlagen zu unterschätzen und zu viel von den bedeutenden und
dadurch verführerischen Zielen ihres Berufs in ihre Kunsttheorien zu bringen.«
Freilich mußte die schaffende Kunst selbst erst wieder sich die Herrschaft über die
technischen Mittel erringen: es geschah dies in steigendem Maße etwa seit der
Mitte des verflossenen Jahrhunderts.

Gegenüber unserer Forderung, daß die technische Unterweisung jeweils soweit
als möglich in die ästhetisch-künstlerische Reflexion einmünde, vertritt der Verfasser
nun allerdings die Auffassung: »Hier hört das Lehren auf, hier tritt das künstlerisch-
schöpferische Empfinden in sein unantastbares Recht« (S. 85). Mit dieser Ansicht
steht der Verfasser gewiß nicht allein: besonders nicht unter den Künstlern. Aber
eine einfache Unterscheidung läßt erkennen, daß es etwas anderes ist, das Tech-
nische ästhetisch auszudeuten innerhalb gewisser Grenzen, die sich freilich nicht ge-
setzmäßig feststellen lassen, und etwas anderes, ein bestimmtes Kunstwerk im Detail
restlos zu erklären oder einen Schüler bis ins letzte hinein belehren zu wollen über
das Verhältnis von Mittel und Wirkung in dem zu schaffenden Kunstwerk. Und
schließlich erwartet man nicht von jedem Künstler, daß er über sein Arbeiten philo-
sophiert, wohl aber von dem Künstler als Lehrer.

Soweit der Verfasser sich über Ästhetisches ausspricht — seine Formulie-
rungen sind manchmal etwas schwer verständlich (S. 80 unten), manchmal auch
stilistisch uneben —, läßt sich erkennen, daß das Material in seiner Ästhetik eine
 
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