Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 12.1917

DOI Artikel:
Besprechungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3621#0372

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
366 BESPRECHUNGEN.

einstimmung und Durchdringung von Form und Inhalt schafft. Hier darf man
unter Denken allerdings um keinen Preis theoretische Erwägungen oder lehrhafte
Nebenabsichten für das Kunstwerk verstehen.

Da die menschliche Persönlichkeit verankert ist in der göttlichen Persönlichkeit,
so ergibt sich als letzter, umfassender Grund, aus dem alles echte Kunstschaffen
hervorwächst, die göttliche Liebe. Alle Kunst nimmt daher ihren Ausgangspunkt
vom Gottesdienst. So wie die Baukunst die erste Stufe der Kunsttätigkeit, so der
Tempel das erste Gebilde der frei schaffenden menschlichen Kunst.

Dies ist die philosophische Grundlage, auf der Deutingers Kunstlehre sich er-
hebt, die zugleich eine reiche und umfassende Kunstgeschichte gibt. Ettlinger weist
an ihrer Hand in lichtvoller Weise die weiten Ausblicke und die feinen Ergebnisse
dieser Kunstlehre nach, ohne die Einseitigkeiten zu übersehen, die sich aus der
ursprünglichen, traditionellen Festlegung des Ausgangspunkts aller Untersuchungen
ebensowohl ergeben, wie aus den Einflüssen der Zeit und der damals führenden
Geister seines Gebiets. Er verschweigt auch nicht, daß, bei ungeheurer Weite der
Kenntnisse und großem Reichtum der Gesichtspunkte, doch Schwächen und Mängel
an letzter Durcharbeit manchen Teilen des, durch den Tod früh abgeschlossenen,
Gesamtwerks des bedeutenden Mannes anhaften.

Berlin. Margarete Calinich.

Paul Häberlin, Symbol in der Psychologie und Symbol in der Kunst.
Akademische Buchhandlung von Max Drechsel, Bern 1916. 8°. 32 S.

In einem Vortrag führt der Verfasser aus, daß Psychologie und Kunst das Ar-
beiten mit Symbolen als Gemeinsames haben. In der Psychologie bringen Be-
wegungen, Sprache, Mienen usw., d. h. verschiedene sinnliche Ausdrucksweisen,
Übersinnliches zum Ausdruck. Die seelischen Wirklichkeiten werden also durch
Symbole dargestellt.

Was der Künstler zum Ausdruck bringt, entströmt ihm in gleicher Weise wie
ein Lachen, ein Seufzen und jede andere sinnliche Äußerung, die als Symbol zu
fassen ist. Das Werk des Künstlers wird zu einer Äußerung seiner Seele, wie die
Bewegungen und Mienen jedes anderen Alenschen. Damit nun das Erleben des
Künstlers zutage tritt, muß es materialisiert werden, und durch die »Materialisation«
tritt eine Vergröberung ein, denn: »Unsere Äußerungen sind wie tastende Versuche
gegenüber unseren Inhalten, wie ein lückenhaftes Mosaik. Darum vermögen sie
selten ganz zu erlösen, was in uns als Spannung drängt, noch uns so mitzuteilen,
wie unser Inneres sich geben möchte.« Eine Folge dieser Unvollkommenheit ist,
daß Künstler, wie auch die übrigen Menschen, leicht mißverstanden werden.

Es muß ferner bemerkt werden, daß es dem Künstler weder auf das Objekt
noch auf die Richtigkeit und Genauigkeit des Dargestellten ankommt. Der Künstler
bringt nur sein Erlebnis zutage, er kopiert nicht, sondern er gestaltet; alle Kunst-
werke sind deshalb persönlich und als Ausdruck des persönlichen Erlebnisses sym-
bolisch. Aber der Satz läßt sich nicht einfach umkehren. Denn ob ein Symbol
ein Kunstwerk sei, hängt von seinem Wert ab; das Moment des Wertes unter-
scheidet das Symbol in der Kunst vom Symbol in der Psychologie; die Psychologie
als Wissenschaft stellt nur die Symbole fest, wertet sie aber nicht wie die Kunst.
Jedes Symbol ist für die Psychologie interessant, während es die Kunst nur mit
wertvollen Symbolen zu tun hat. Das Kunstwerk ist dasjenige Symbol, »welches
als Symbol wertvoll ist«. Das Urteil über den Wert des Symbols wird als ästheti-
sches Urteil zum Unterschied vom ethischen Urteil bezeichnet: Das ethische Urteil
mißt >ein Wesenhaftes an seiner eigenen Vollkommenheit«.
 
Annotationen