Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 12.1917

DOI Artikel:
Besprechungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3621#0380

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
374 BESPRECHUNGEN.

aussprechen; aber sein Seelenleben versteht niemand, weil seine symbolische Sprache
willkürlich ist (S. 33).

Diese Bemerkungen zur expressionistischen Kunstweise möchten zutreffender
erscheinen als die Beurteilung des Impressionismus. Aber auch sie bedürfen noch
der Vertiefung, wohl auch der Zurechtrückung. Und dazu sollten, auch innerhalb
des Rahmens der allgemeinen Kunstwissenschaft, die Gesichtspunkte: Kunstleib und
Kunstseele, mehr als geschehen ist, in ihre Elemente und Gesetze auseinander-
gelegt werden und dann noch durch Hinzunahme anderweitiger Gesichtspunkte
ergänzt werden. Dabei müßten die vom Verfasser aufgestellten Grundbestandteile
eines Kunstwerkes wohl aus dem Gleichgewicht, in dem er sie in Analogie
mit dem Menschenwesen denkt, geschoben werden. Selbst die Forderung, daß
»die Dinge als Dinge kenntlich« seien, dürfte nicht als Kanon gelten, an dem nichts
zu deuten ist: die individuelle Gegenständlichkeit der »Dinge« auf Grund des Kon-
turs, der organischen Gliederung, der Linienperspektive u. a. muß unter Umständen
hinter der Funktion im Rhythmus der Massen und Farben zurücktreten. Das Flächen-
raumproblem hätte wohl bei seiner Bedeutung ein Eingehen darauf erfordert. Und
auch die Frage nach der Struktur des Geistigen und des Seelischen in der neuen
Kunst.

Auch die Literatur, die freilich der ganzen Sachlage entsprechend noch nicht
eben ertragsreich ist, aber doch manchen Fingerzeig gibt, wäre mehr zu berück-
sichtigen gewesen: z. B. Fr. Burger, Cezanne und Hodler1); P. rechter, Der Ex-
pressionismus2); L. Coellen, Die neue Malerei3).

Im Anschluß hieran sei eine Stelle aus der Ästhetik M. Deutingers, die wie
der jüngsten Zeit entstammend klingt, ausgehoben. Deutinger spricht von der
»Durchdrungenheit des Stoffes vom Geiste im vollendeten Kunstwerk« und schreibt:
»Weil der Geist im Stoffe sich offenbarte, so ist der Stoff Geist geworden, indem
er aufgehört hat, für sich etwas seyn zu wollen. Er kann nur noch erscheinen,
Ausdruck des Geistes seyn wollen. So ist auf dieser Stufe der todte Stoff leben-
dig, und der Geist leibhaftig geworden. In dieser Leibhaftigkeit die Geheim-
nisse der zuvor verschlossenen Materie ergreifend, dehnt er sich aus, indem er
denkt, und schränkt sich ein, indem er den Stoff im Besonderen bestimmt. Es ist
noch Leiblichkeit, aber diese ist nur mehr vom Können des Geistes abhängig, so
daß ... die scheinbaren Gesetze der Leiblichkeit und Äußerlichkeit aufgehoben und
zu inneren geworden sind ... Das Äußere ist kein an sich ohnmächtiges und
von der Schwere und Trägheit durchdrungenes, sondern vom Geist durch-
drungen innerlich, central, unkörperlich und unschwer geworden« (Grund-
linien einer positiven Philosophie ... 4. Theil. Die Kunstlehre. Regensburg 1845,
S. 139 f.). Es darf darin mehr als ein äußerer Anklang an Ideen der Gegenwart
gesehen werden: der Verfasser weist selbst auf Zusammenhänge zwischen den
neuen Kunstströmungen und dem nachkantischen Idealismus hin und nennt Fichte,

') München 1913.

2) München 1914.

3) München o. J., 2. Auflage. — Weil hier von Literatur die Rede ist, sei die
Berichtigung einer literarischen Kleinigkeit angeschlossen: das vom Verfasser (Wer-
ner) auf S. 52 gebrachte Wort von A. Feuerbach stammt nicht aus einem Tagebuch.
Es geht auf eine Briefstelle zurück (A. Feuerbachs Briefe an seine Mutter, Berlin
1911, S. 144 oben): ihr Sinn ist derselbe, aber nicht der Wortlaut. Das »Vermächt-
nis« enthält Auszüge aus dem in Frage kommenden Briefe. Aber dort (1. Ausgabe
1882, S. 19) ist gerade das Entscheidende ausgefallen.
 
Annotationen