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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 12.1917

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Volkelt, Johannes: "Objektive Ästhetik"
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https://doi.org/10.11588/diglit.3621#0392

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386 JOHANNES VOLKELT.

etwa sind es, die sich in dem Losungswort »objektive Ästhetik« zu
vereinigen pflegen. Noch im Jahre 1907 durfte Karl Groos in einem
Überblick über den Stand der Ästhetik zu Beginn des zwanzigsten
Jahrhunderts schreiben: »Die psychologische Behandlung der Ästhetik
ist gegenwärtig im Besitze der Vorherrschaft:1). Heute sieht sich die
psychologische Ästhetik durch bedeutsame und immer wachsende
Gegnerschaften in eine Verteidigungsstellung gedrängt.

Man sieht sofort: eine Fülle sehr verschiedenartiger Probleme drängt
sich in dem Ruf nach einer objektiven Ästhetik zusammen. Ich sehe
es hier nicht als meine Aufgabe an, all die verschiedenen Fragen auf-
zunehmen, die der vieldeutige Ausdruck »objektive Ästhetik« in sich
birgt. Nur nach zwei Richtungen will ich die Berechtigung der For-
derung des Objektivismus in der Ästhetik prüfen. Zu diesem Zwecke
wird es gut sein, wenn ich zuvor alle Bedeutungen von »Objektiv«
absondere, die meiner Untersuchung fernbleiben sollen.

2. Erstlich ist der Ausdruck »Objektiv-, wie ich ihn hier verstehen
will, nicht als mit »allgemeingültig« gleichbedeutend zu setzen. Das
Entweder-Oder von Unbedingt-Gültig und Wahrscheinlich steht hier
unmittelbar überhaupt nicht in Frage. Der Vertreter der »objektiven«
Ästhetik, wie sie hier verstanden werden soll, kann sich ebensogut zu
der Forderung bekennen, daß seine Ergebnisse als schlechtweg not-
wendig anerkannt werden, wie zu der bescheideneren Haltung eines
nur Wahrscheinlichkeit beanspruchenden Forschers.

Zweitens soll mit der Bezeichnung »objektiv nicht das Gesetz-
mäßige in Gegensatz zu dem Willkürlich-Subjektiven gemeint sein.
Objektivismus wäre hiernach das Gegenteil von der Ansicht, die in
dem ästhetischen Verhalten ein willkürliches Spielen oder eine zügel-
los-geniale Phantasiebetätigung sähe. Schon allein das Anerkennen
ästhetischer Gesetzlichkeit würde den Ästhetiker zu einem Objektivisten
stempeln.

Aber — und das ist das Dritte ■— auch mit der Frage, ob die
Ästhetik eine normative und wertsetzende Wissenschaft sei, oder ob
sie nur Tatsächliches zu beschreiben und zu ordnen habe, steht der
Sinn, in dem ich hier zunächst von objektiver Ästhetik handeln will,
nicht in unmittelbarem Zusammenhang. An sich darf ja ganz wohl
eine Ästhetik, die in festen Normen und überindividuellen Werten
ihren Halt hat, »objektiv« heißen. Die Normen können als das, was
den ästhetischen Inhalt allererst in den Rang eines »Gegenstandes«
in strengstem Sinne erhebt, angesehen werden.

') Karl Groos, Ästhetik. In dem Sammelbande »Die Philosophie im Beginn
des zwanzigsten Jahrhunderts■ , 2. Aufl., 1907, S. 4S9.
 
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